metropa – das europäische Superschnellbahnnetz: Europa ist eine Stadt
Der Künstler Stefan Frankenberger über sein Projekt „metropa“, ein großes europäisches Superschnellbahnnetz.
taz FUTURZWEI: In sozialen Netzwerken beziehen sich immer mehr Menschen auf Ihr Projekt metropa. Wie kamen Sie darauf, Herr Frankenberger?
STEFAN FRANKENBERGER: 2008 hat mir ein Freund begeistert von den japanischen Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszügen erzählt. Da ich selbst ein Bahnnetz-Fan bin, habe ich darüber nachgedacht: Wie wär’s, wenn es ein solches Netz auch für Europa gäbe? Mit dem »Arabischen Frühling« und der Klimadebatte hat die Idee eines großen europäischen Netzes dann richtig Fahrt aufgenommen.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Städte ausgewählt?
Zunächst habe ich die bestehenden wichtigen Knotenpunkte verwendet und mit Linien verbunden, natürlich unter Berücksichtigung der geografischen und regionalen Gegebenheiten. Dieses Planen macht mir übrigens großen Spaß und liegt mir als Sohn eines Vermessungsbeamten sehr. Natürlich ist die Karte in den Peripherien stark gestaucht. Streckennetze haben ja generell die Eigenschaft, dem Zentrum mehr Raum zu geben als den Außenbezirken.
Gibt es auch eine Ästhetik des Netzes?
Ich habe mich an bereits existierenden Metrokarten orientiert, die immer aus den beiden Grundelementen Punkt und Linie bestehen. Danach habe ich die für öffentliche Verkehrsnetze so typischen Komplementärfarben zur besseren Anschaulichkeit eingesetzt. So begreift man die Karte sofort wie eine Stadt: Europa als Stadt, als Metropole.
Warum ist Ihnen der Gedanke der europäischen Vernetzung so wichtig?
Ich habe viele europäische Städte bereist und bin davon überzeugt, dass Europa als grenzenloser Kulturraum gedacht werden muss. Das Festhalten an Nationalstaaten ist veraltet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat neulich gesagt, dass Europa einen neuen Marshallplan brauche. Ich bin da ganz ihrer Meinung. Aber im Gegensatz zum historischen Marshallplan muss das als gemeinsame Initiative von innen kommen. Und da biete ich metropa als Projekt an.
Einige Städte Ihres Bahnnetzes, wie Tunis oder Tel Aviv, liegen außerhalb von Europa. Warum?
Während meiner Reisen fiel mir oft auf, dass man die europäischen Grenzen gar nicht spürt. Vor Kurzem war ich in Georgien und war mir manchmal nicht sicher: Gehört das schon zu Europa? Daneben bezieht das Netz auch Städte wie Marrakesch mit ein, das ist dann einfach mal eine Wunschoption. Es ist einfach unmöglich, in der Karte eindeutige Grenzen zu markieren.
Ihr Netz kann man als eine Antwort auf die Flüchtlingskrise denken. Haben Sie auch daran gedacht?
Da muss man aufpassen, weil man leicht Menschen irritiert, die genau das nicht wollen. Nur so viel: Jeder Mensch sollte grundsätzlich die Freiheit haben, dort hinzugehen, wo er möchte. Es wäre ja auch paradox, wenn wir Europäer als neugierige Touristen nach Marrakesch reisten und Marokkaner Europa nicht besuchen oder sich als Migranten länger hier aufhalten dürften.
Warum soll man sich mit dem Zug fortbewegen?
In Zeiten des Klimawandels ist der Zug die beste Alternative zum Flugzeug. Fliegen hat natürlich etwas Faszinierendes, aber es ist kein nachhaltiges und auch kein schönes Reisen. Zugfahren ist viel spontaner und flexibler. Wenn ein Zug ausfällt, kann ich in absehbarer Zeit eine andere Verbindung wählen.
Inwieweit ist das metropa-Netz bereits vorhanden? Ist es auch eine Alternative zu den existierenden regionalen und internationalen Zugsystemen?
metropa soll nicht die bestehende regionale Feinverzweigung ersetzen. Die Idee ist eher die einer Superschnellbahn mit mindestens 400 km/h, mit der man von Hamburg aus Palermo in wenigen Stunden erreichen kann. Technisch könnte so etwas als Magnetschwebebahn funktionieren. Das würde im Übrigen auch eine Option für den Stromtransport Nord-Süd eröffnen. Und aufgeständert zerschneidet sie die Landschaft nicht so stark.
Was sind die nächsten Schritte?
Mein nächstes Ziel ist es, Menschen aus Politik und Wirtschaft auf europäischer Ebene einzubeziehen. Ich möchte AktivistInnen der Fridays-for-Future-Bewegung kontaktieren. Und wenn zum Beispiel Greta Thunberg oder Luisa Neubauer über metropa als klimafreundliches Transportsystem diskutieren, wäre viel erreicht. Wichtig ist der Grundgedanke: Europa besser zu vernetzen und Mobilität für alle zu schaffen.
Wem soll man die Postkarte mit dem metropa-Netz schicken, die dieser Ausgabe von taz FUTURZWEI beiliegt: Autofreaks oder Ökos?
Natürlich allen beiden. Und den Vielfliegern gleich dazu.
Interview: LOTTA ORTHEIL
➡︎ Hier geht es zum Projekt metropa
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