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meinungsstark

Zur Geschichte des Asylrechts.

Ein Brief von Heinrich Winkler

„Die uralten Kamellen eines renommierten Historikers. CDU-Kanzlerkandidat Merz bezog sich im TV-Duell auf den Historiker Heinrich Winkler. Doch dieser irrt, wenn er das Asylrecht im ‚Spiegel‘ historisch beurteilt“, taz vom 11. 2. 25

Christian Rath hält meinen Ausführungen im Spiegel zur Entstehungsgeschichte des (alten) Asylartikels 16 des Grundgesetzes in der taz entgegen, eine solche Erörterung sei in der Rechtsprechung nur eine von mehreren Auslegungs­methoden. Das war mir durchaus bewusst. Es ging und geht mir um die Korrektur einer historischen Legende, die nach wie vor den politischen Asyldiskurs, vor allem links der Mitte, bestimmt und damit die politische Kultur der Bundesrepublik prägt. Was Rath zu diesem Thema beiträgt, läuft auf eine Herabsetzung der Motive der (zu Recht hochgelobten) Väter und Mütter des Grundgesetzes hinaus.

Ich habe nicht, wie Rath behauptet, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als eigenwillig und anfechtbar bezeichnet, sondern die Argumentation von führenden Vertreterinnen und Vertretern der Grünen und der SPD.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Mai 1996 bezeichnet die Neufassung des Asylrechts von 1993 in Artikel 16a als verfassungskonform und betont ausdrücklich, dass das Asylrecht nicht zum Kernbestand der Grundrechte gehört, der unter die „Ewigkeitsklausel“ in Artikel 79 Absatz 3, fällt. Es könne mit verfassungsändernder Mehrheit sogar ganz abgeschafft werden. Auf das Bundesverfassungsgericht kann sich Rath also nicht berufen, wenn er die Asylreform von 1993 zum asylpolitischen Sündenfall erklärt. Richtig ist, dass der Kompromiss von 1993 zu Lasten Dritter, der EU-Staaten mit EU-Außengrenzen und anderer „sicherer Drittstaaten“, geht.

Rath hat recht, wenn er betont, dass das Grundgesetz in der deutschen Asylrechtsprechung heute eine viel geringere Rolle spielt als das europäische Recht. Er unterlässt aber jeden Hinweis darauf, dass das Asylrecht der EU weithin einen deutschen Stempel trägt und dass für notwendig erachtete Verschärfungen des europäischen Rechts lange auf deutschen Widerstand gestoßen und an ihm gescheitert sind.

Vom „Geist der Gesetze“ (Montesquieu) scheint der Positivist Rath wenig zu halten. Dass er das Grundgesetz asyl­politisch für irrelevant erklärt und das europäische Asylrecht ahistorisch verklärt, ist für einen Historiker schwer nachvollziehbar. Heinrich August Winkler

„Zeit der Rebellion der Mutter“:

Hahaoya no hankoki

„Pause! Die Wechseljahre treffen alle Frauen – irgendwann“,

Leserbriefseite taz vom 22. 1. 25

In einem Leserbrief bemerkte eine Leserin, es solle in Japan wohl kein Wort für die Wechseljahre geben. Es gibt eins. Konenki lautet es und heißt so viel wie „Veränderungen im Leben“. Als asiatischstämmige Frau mit asiatischstämmigen Freundinnen im mittleren Alter, die sowohl hie als auch in Korea, Hong Kong und Japan leben, garantiere ich: Wir wären heilfroh, wenn die Behauptung, wir hätten keine Wechseljahrsbeschwerden, wirklich wahr wäre! Ist sie leider nicht. Die US-amerikanische Anthropologin Margaret Lock schlussfolgert in ihrem Buch „Encounters with Aging“, die Wechseljahre bestehen aus einem biologischen und dem kulturellen Narrativ. Was ganz bestimmt richtig ist. Nur sagt sie weiterhin, biologische Beschwerden gäbe es in Japan nicht, weil dort ein positives Bild gegenüber dem Alter existiere und gesunde Essgewohnheiten Beschwerden entgegenwirkten. Beides stimmt so aber nicht. Das bestätigte der südkoreanische Arzt Das-Ok Kim 2021 hier in der taz: „Forschungsergebnisse belegen allerdings, dass fast die gesamte weibliche Bevölkerung von Wechseljahrsbeschwerden betroffen ist, einschließlich asia­ti­scher Frauen.“ In einer wissenschaftlichen Arbeit habe ich gelesen, dass Konenki in Japan gar als die „Zeit der Rebellion der Mutter“ (Hahaoya no hankoki) bezeichnet wird – das klingt doch, trotz Unwohlsein, nach einer notwendigen Phase. Miriam Stein, Autorin „Die gereizte Frau“, „Weise Frauen“

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