meinungsstark:
Krisenmanagement – aber richtig
„Wir Gesättigten. Pandemie-Management im Vergleich“,
taz vom 1. 2. 21
Aus der Sicht eines professionellen Krisenmanagers wird in der Corona-Bekämpfung so ziemlich alles falsch gemacht. Drei Grundprinzipien erfolgreichen Handelns wird seitens der Verwaltung kategorisch widersprochen: Kümmere dich um Kennzahlen und Informationen, um die Problemtreiber zu identifizieren. Alle Probleme kann man nicht lösen, man muss Prioritäten setzen! Dazu gehören spezifische Informationen. Einige wenige davon sind bekannt, aber man hat nicht danach gehandelt, denn demnach hätte der erste Lockdown den Altersheimen gegolten. Zweitens: Setze nur Ziele und delegiere nur Maßnahmen, deren Ergebnisse du überprüfen kannst. Die heute nahezu einzig bekannten Maßnahmen sind verschiedene Versionen von Lockdown. Wir wissen längst, dass einzelnen Bevölkerungsschichten gesamtverantwortliches Handeln nicht zuzutrauen ist. Selbst unter Quarantäne stehende Familien haben ganze Wohnblocks angesteckt. Ein Appell an die Gesamtbevölkerung ist armselig, wenn man weiß, dass Infektionsherde durch nur ganz wenige Personen erzeugt werden können. Die Polizei ist seit langem so kaputtgespart, dass sie selbst Wohnungseinbrüche nicht vollständig verfolgen kann, wie dann Pandemieregeln überwachen? Drittens: Frage nicht, was du hast, sondern schaffe das, was du brauchst, denn nur das, was du jetzt hast, hat dich in die Krise geführt. Stattdessen: Weil man zu wenige Masken hatte, wurde deren Nützlichkeit diskutiert! Die Sinnhaftigkeit von Tests wurde in Frage gestellt, weil man sich ja nach einigen Tagen wieder anstecken könnte. Erst heute stellt man fest, dass man hinreichend Spezialkühlschränke und Nadeln zum Impfen braucht. Politiker sowie die Regelwerke der Verwaltung sind leider in keiner Weise qualifiziert, Projekt- oder Krisenmanagement zu betreiben. Ich selbst habe einige Jahre für Landes- und Bundesministerien als Berater gearbeitet. Wirklich erfolgreich war ein Projekt 2009 in Brandenburg zur Erstellung eines zentralen Beschaffungssystems (Behörden-Amazon). Wir waren erfolgreich, weil wir nahezu gegen alle Verwaltungsvorschriften verstoßen haben und uns der damalige Minister den Rücken gedeckt hat. Reinhard Meinders, Nordhorn
Von der Marktwirtschaft gebeutelt
„Axel Fischer will nach Hause. Erst Corona, jetzt der Brexit. Unser Roadtrip mit einem Lkw-Fahrer, der mittendrin steckt“, taz vom 30./31. 1. 21
Mehr solch großartige Recherchen wie über den Lkw-Fahrer, bitte. Sie erzeugen so viel Empathie mit den von der „freien Marktwirtschaft“ gebeutelten Menschen und sind so viel wichtiger als die zehnte Befindlichkeitsanalyse grüner Spitzenkandidat:innen! Uwe Höger, Kassel
Schöne Inklusion! Einfach vergessen
„Impfung für vergessene Risikogruppen: Im Härtefall“,
taz vom 30./31. 1. 21
Warum alte Menschen, die zu Hause leben und sich noch gut selbst versorgen können, ein höheres Risiko haben sollen, sich mit Corona zu infizieren, als Menschen mit Behinderungen, die mit einer chronischen Erkrankung zu Hause von Pflegediensten und Assistenz versorgt werden, das kann ich nicht verstehen. Mit meinen 55 Jahren, davon 40 Jahre Leben mit einer hohen Querschnittlähmung, angewiesen auf acht Mitarbeiter*innen in der persönlichen Assistenz, und als alleinerziehende Mutter mit zwei schulpflichtigen, minderjährigen Jugendlichen trage ich ein sehr hohes Risiko, mich zu infizieren, und ich kann diese Kontakte nicht vermeiden. Eventuell haben meine Kinder dann keine Mutter mehr. Ich will nichts gegeneinander ausspielen, und die Impfung von alten Menschen ist sehr sinnvoll. Aber ich fühle mich in meiner Situation diskriminiert! Und es fühlt sich so an, als hätten die Bundesregierung und Herr Spahn kein Interesse daran, Mensch mit Behinderungen zu schützen. Und das ganze Gerede um Inklusion wirkt dann irgendwie hohl.
Auf dem Impfgipfel wurde das Thema dann auch wieder totgeschwiegen. Ariane Kipp, Kassel
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