piwik no script img

Archiv-Artikel

man kann nicht vorsichtig genug sein von EUGEN EGNER

Der Keller meines Vaters quoll über von alten Kleiderbügeln. Vorwiegend hölzerne waren es, und auf allen stand gut lesbar unser Familienname. Der Grund dafür war nicht einmal meinem Vater bekannt, obwohl er sie vermutlich irgendwann allesamt angeschafft und persönlich beschriftet hatte. Fest stand für ihn lediglich, dass sie fort mussten, bevor sie zur Brutstätte von Ungeziefer wurden.

Deshalb machte ich, um ihn ein wenig zu entlasten, ein Unternehmen ausfindig, das auf den Abtransport alter Kleiderbügel spezialisiert war. Ein Abholtermin in der kommenden Woche wurde vereinbart, und ich durfte mit Recht stolz sein auf den Erfolg meiner Bemühungen. Auch mein Vater war stolz auf mich und erzählte einer Nachbarin von der bevorstehenden Aktion. Dabei versäumte er nicht, den Umstand der namentlichen Kennzeichnung zu erwähnen. Es zeigte sich, dass die Nachbarin gut mit solchen Dingen Bescheid wusste – sogar erstaunlich gut, muss man sagen. Auf Grund ihres Wissens erteilte sie meinem Vater nämlich den dringenden Rat, unter allen Umständen unseren Familiennamen spurlos von den Bügeln zu tilgen, bevor sie in fremde Hände fielen. Sonst, legte sie dar, wäre es den neuen Besitzern ein Leichtes, unsere Anschrift festzustellen, indem sie den Namen im Telefonbuch nachschlugen.

Welch furchtbare Vorstellung! Es fiel nicht schwer, sich auszumalen, was das alles nach sich ziehen musste. Die feindliche Macht würde rund um die Uhr das Haus observieren, um Übergriffe zu planen, und womöglich verderbenbringende Strahlen auf uns richten. Weder der einlaufenden Post noch Strom oder Wasser dürfte man dann trauen. Die Nächte wären fortan eine besonders gefährliche Zeit, Schlaf fände nicht mehr statt. Buchstäblich alles, nur nichts Gutes, konnte geschehen.

Außerdem erfuhr mein Vater von der Nachbarin, dass an der Spitze derjenigen, deren Terror uns drohte, ein uralter Graf stand. An die siebzigtausend Jahre sollte er zählen, dank eines regelmäßig eingenommenen Wundermittels jedoch nur wie siebzig aussehen. Mühelos zwischen den Planeten hin und her pendelnd, schaffte er alle alten Kleiderbügel, deren er habhaft werden konnte, von der Erde zum Mars. Darüber, was dort mit ihnen geschah, konnte nur spekuliert werden. Ganz gewiss aber war es etwas, dessen Endzweck weit über die individuelle Gefährdung unserer Familie hinausging und in völliger Vernichtung der Zivilisation bestand.

Nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte, versuchte ich, mich dem Problem vernünftig und mit den Mitteln der Logik zu nähern. Ich kam zu der Überzeugung, dass es überhaupt nichts brachte, sich der aberwitzigen Mühe zu unterziehen, die Beschriftung der Kleiderbügel zu entfernen. Mein Hauptargument lautete: „Der Graf braucht nur die Abholer zu fragen. Die wissen unsere Adresse doch sowieso, ob nun der Name auf den Dingern steht oder nicht.“ Doch von diesem Gedanken ließ sich mein Vater nicht nur nicht überzeugen, sondern er geriet obendrein in großen Zorn. Die Strafe für meine ketzerische Klugscheißerei war, dass ich zwei Tage damit verbringen musste, unseren Namen mit Sandpapier von sämtlichen Bügeln zu schmirgeln.