märtyrer im schwebezustand: Für „Jetzt“ und immerdar
„Montag = Loch. Warte auf die Wiedergeburt, bei Jesus hat es ja auch anscheinend geklappt“ – leider muss der Christusfan im Forum der eingestampften Jugendbeilage der Süddeutschen weiter warten. Jetzt ist (es) noch nicht so weit.
Nach der Einstellung im Juli gingen fanatische Jetzt-Jünger für ihre Bibel sogar auf die Straße. Erreicht haben sie nichts, auch das hat christliche Tradition. In wirtschaftlichen Krisenzeiten wird eben da gespart, wo’s dem Verlag im Hintergund nicht allzu sehr wehtut.
Die Lesern des oft als „Bravo für Gymnasiasten“ titulierten Supplements schmerzt es umso mehr, die sonst so heiß ersehnten Montagen sind bis heute Tage der Trauer. „Damit haben sie der SZ ein Stück Seele herausgerissen“, schreibt ein Leser im Forum auf www.jetzt.de.
Aber wie hieß es doch gleich? „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Und so keimte bei den geprellten Jetzt-Jüngern jüngst wieder die Zuversicht: Die Pharisäer vom Süddeutschen Verlag verhandelten mit den Samaritern von Hamburg, mit Gruner+ Jahr. Ziel: eine gemeinsame Lösung für das kultige Jugendheftchen. Doch man wurde sich nicht einig. Jetzt bleibt weiter auf Eis – und im Internet.
Als eigenständiger Titel am Kiosk sollte die Wiedergeburt gelingen, um Vertrieb und den Anzeigenverkauf hätte das lahmende G + J-Flaggschiff Stern übernommen. Die Redaktion, wie und wo sie ist: in München. Alte Inhalte, gewohntes Lay-out – „gemeinsame Rettungsaktion“ nannte es der Stern und meinte das wohl auch genau so. Und Jetzt? Aktion: gescheitert. Noch ein kleiner Schiffbruch, das Magazin wird zum zweiten Mal zu Grabe getragen.
Prompt hagelt es Spekulationen: Warum sind die Verhandlungen gescheitert? Offiziell will natürlich niemand sagen, warum Jetzt weiter Märtyrer im Schwebezustand bleibt.
G + J spricht zwar vom „engagierten Versuch, das Jugendmagazin wieder aufleben zu lassen“ – wollte aber kein allzu großes ökonomisches Risiko eingehen. Doch die finanziellen Forderungen des Süddeutschen Verlags seien völlig überzogen gewesen, heißt es aus Hamburg.
Ein paar hundert Kilometer weiter südlich sieht man die Sache etwas anders: Die Verhandlungen seien „vorerst“ zu keinem Ergebnis gekommen, „vorerst“ mit Betonung. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt, auch in München. Oder soll man denen Glauben schenken, die da sagen, der Verlag hätte die Verhandlungen mit seinen astronomischen Forderungen absichtlich ausgebremst? Dass die Münchner am Ende kalte Füße bekommen haben könnten, liegt nicht allzu fern: Titelrechte abgeben, damit ein anderer ihr einstiges Image-Aushängeschild ans Licht führt? Schließlich funktioniert Jetzt immer noch als Marke (siehe Internet).
Prestige ist so gut wie unverkäuflich. Und Jetzt war imagebildend für die Süddeutsche, sollte junge Leser ans Blatt heranführen. Ob das je funktioniert hat, ist fraglich. Denn eine echte inhaltliche Verbindung zwischen der Beilage und ihrem Blatt gab es nicht: Wenn Mama und Papa die SZ lesen, liest der Youngster eben das bunte Heftchen. Also doch eine Bravo für Sprösslinge von SZ-Abonnenten, aufs Gymnasium dürften die meisten von ihnen ohnehin gehen.
Nun liegt da also die halbtote Marke, man ist ganz lieb und gesprächsbereit gegenüber jedermann. Aber will sich der Süddeutsche Verlag überhaupt helfen lassen? Entweder geben sie die Titelrechte ab und verlieren die Marke Jetzt. Oder sie behalten alles – und dann?
Beide Verlage bedauern natürlich das Scheitern der Verhandlungen aufs Wortreichste. Und eigentlich geht es auch weniger um Jetzt an sich. Es geht um den Versuch, junge Leser und attraktive Anzeigenkunden zu gewinnen, wenn möglich zu behalten – und an andere Titel des Hauses weiterzureichen. Ob Jetzt das jemals geleistet hat, ist bisher nicht geklärt.
Was bleibt? Immerhin ein neuer „Lebenswert“: warten auf den Messias und die Wiedergeburt. JULIA BÜRNER
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