machtwechsel in manila: Wunder bleiben unwahrscheinlich
„Ich folge der Philosophie meines Vaters“, sagt die neue Präsidentin der Philippinen, Gloria Macapagal Arroyo: „Tue gut und tue recht – Gott wird sich um den Rest kümmern.“ Sie verspricht außerdem, die Korruption zu bekämpfen, die Moral zu stärken und sich besonders für die Armen einzusetzen. Nach den Wirren um Arroyos schillernden Amtsvorgänger Joseph Estrada wirkt so viel Tugend und Frömmigkeit wie Balsam auf die Seelen vieler Filipinos und Filipinas. Doch als politisches Programm taugen Arroyos Worte kaum.
Kommentarvon JUTTA LIETSCH
Die wirtschaftliche und soziale Situation des Landes ist dramatisch – viel schlimmer, als die offiziellen Wirtschaftsdaten zeigen. Es reicht, einmal durch Manila zu laufen, um eine Idee von den brutalen Gegensätzen des Landes zu erhalten. In den Slums müssen hunderttausende Menschen an grauenhaft stinkenden Müllbergen oder über offenen Abwässerkanälen leben. Verschiedene Regierungen in Manila, zu der auch Arroyo gehörte, versprachen schon Abhilfe – und taten nichts. Neben den Slums liegen großzügige Villenviertel, abgeschirmt und gut bewacht.
Seit Jahrzehnten haben die philippinischen Politiker den verarmten Bauern mehr Gerechtigkeit, eine Landreform und Arbeit versprochen, nur um riesige Millionenbeträge in die Taschen politischer Freunde und Verwandter zu wirtschaften. Daran haben die Regierungen, die nach dem Ende der raffgierigen Marcos-Diktatur durch die „People Power“-Revolution von 1986 kamen, nichts geändert. Die erste Präsidentin nach Marcos, Cory Aquino, konnte und wollte die riesigen Ländereien der mächtigen großen Clans der Philippinen nicht antasten, die bis heute die Provinzen beherrschen. Ihre Familie gehört selbst zu den größten Grundbesitzern.
Auch die neue Regierungschefin Arroyo stammt aus der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes. Ihr Vater, von dessen Ruf sie zehrt, war in den Sechzigerjahren Präsident. Die Tochter verdankt ihren Aufstieg an die Spitze der Regierung unter anderem dieser Herkunft – aber nicht nur. Auch ihre eigenen politischen Ambitionen und Fleiß spielten eine wichtige Rolle, zusammen mit der Unterstützung jener philippinischen Wirtschaftskreise, die sich von Estrada an den Rand gedrängt fühlten. Diese Leute werden nun von der neuen Regierung ihren Anteil an den Pfründen fordern. Sollte Arroyo stark genug sein, sich dagegen zu wehren und „recht zu tun“: Das wäre das größte Wunder dieses Regierungswechsels.
ausland SEITE 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen