macht doch, was ihr wollt : Kommentar von BETTINA GAUS
Das war’s dann also. Der Bundesregierung ist die Puste ausgegangen. Die herbe Niederlage in Nordrhein-Westfalen und damit die Abwahl der letzten rot-grünen Koalition auf Landesebene: das war zu viel für Kanzler Schröder und SPD-Chef Müntefering. Eine vorgezogene Bundestagswahl im Herbst wollen sie nun anstreben, und wenigstens das werden sie wohl noch durchsetzen können. Danach ziehen sich die Sozialdemokraten in die Opposition zurück. Jedenfalls wenn es nach ihrem Vorsitzenden geht.
Der hat den Wunsch nach Neuwahlen nämlich damit begründet, das strukturelle Patt zwischen Bundestag und Bundesrat müsse gebrochen werden. Wie soll man diese Äußerung denn interpretieren – wenn nicht als flehentliche Bitte, bloß nicht die SPD zu wählen? Schließlich hat die Bevölkerung bei Parlamentswahlen nicht über die Zusammensetzung des Bundesrates zu entscheiden. Nur mit einem Wahlsieg der Union lässt sich deshalb das Ziel erreichen, das Müntefering vorgegeben hat. Er hätte es auch anders formulieren können: Mir reicht’s, Leute. Macht doch, was ihr wollt.
Dabei sind Neuwahlen aus Sicht der rot-grünen Koalition eigentlich keine schlechte Idee. Oder zumindest ist der Plan, nüchtern betrachtet, immer noch die beste von mehreren schlechten Alternativen. Denn zum einen bleibt der SPD damit eine interne Zerreißprobe erspart, die nach der Niederlage in Nordrhein-Westfalen fast unausweichlich schien. Einige Abweichler hätten für den Verlust der Regierungsmehrheit im Bund genügt. Und die Zeichen mehrten sich, dass Teile der Parteilinken nicht länger bereit waren, den Burgfrieden weiterhin zu wahren.
Zum anderen und vor allem aber ist über der Schwäche der SPD fast in Vergessenheit geraten, dass die Union auch noch ziemlich ratlos ihren Weg sucht und bislang keineswegs über schlüssige Konzepte zur Lösung der drängendsten Probleme verfügt. Die wird sie jetzt ziemlich hektisch erarbeiten müssen. Die mutmaßliche Kanzlerkandidatin Angela Merkel könnte dadurch in eine unbequeme Lage gebracht werden. Allerdings nicht, wenn ihre politischen Gegner weiterhin indirekte Wahlempfehlungen für die Union aussprechen.