lost in lusitanien : Ä, oder noch besser: Schön viele U
MATTI LIESKE über Beckenbauäär, Rummeniggää, Klinsmään und andere Namen, wie sie wohl nur der Fußball schreibt
Mit Fußballernamen ist das eine merkwürdige Sache. Setzt man sich zum Beispiel in ein Café in Peschawar, Assuan, Recife, Pnom Penh oder Schanghai, kommt mit Einheimischen ins Gespräch und gibt sich als Deutscher zu erkennen, fängt unweigerlich früher oder später jemand an zu rufen: „Beckenbauäär, Rummeniggää, Klinsmään.“ Wenn jetzt noch Schwarzenbeck kommt, fahre ich sofort nach Hause, denkt sich der Reisende, aber Schwarzenbeck kommt glücklicherweise nie. Genauso wenig wie Walter, Seeler, Haller, Müller oder Netzer. Höchstens mal „Oliverkaaan“, zumindest in Japan, wo er Reklame für Kredithaie macht. Je komplizierter und kurioser der Name, desto größer seine Anziehungskraft. Kein englischer Popmusiker wäre jemals auf die Idee gekommen, einen Song über „Overath and his sexy knees“ zu intonieren, ganz unabhängig von der Beschaffenheit des fraglichen Körperteils. So was geht nur mit Rummenigge – ganz unabhängig von der Beschaffenheit des fraglichen Körperteils. Und was fällt einem ein, wenn man zum Beispiel Namen aus der großen Vergangenheit des 1. FC Nürnberg aufzählen soll: Haseneder, Flachenecker, Derbfuß. Oder etwa nicht? Wer redet bei 1860 München noch von Heiß und Grosser, wenn man auch Brunnenmeier und Kohlhäufl haben kann. Der Hamburger Spundflasche, der Rostocker Barmenderheide, der Hannoveraner Siemensmeyer – Namen, wie sie nur der Fußball schreibt. Kein Wunder also, dass den englischen Journalisten im deutschen Team nicht Michael Ballack, sondern Bastian Schweinsteiger den größten Eindruck gemacht hat. Fußballerisch noch ausbaufähig, aber der Name – göttlich, wie geschaffen zum Liederdichten.
Einen großen Nachteil haben diese Namen jedoch: Kein Fan kann sie rufen, ohne sich wie ein kompletter Idiot vorzukommen. Wenn ein voll besetztes Stadion anfängt, „Schweinsteiger, Schweinsteiger!“ zu brüllen, kommt doch sofort die Feuerwehr und beginnt mit der Evakuierung. Wenn wenigstens ein vernünftiger Vorname dabei wäre, am besten was mit U – Uwe oder Rudi, aber Franz, Kalle, Bastian – unmöglich. Fast so schlimm wie David. Womit wir endlich beim Thema angekommen wären.
Es führt kein Weg daran vorbei: David Beckham ist out. Nicht wegen seiner notorischen Elfmeterunpässlichkeit. Nein, wegen seines Namens. Da liegt nämlich das wahre Geheimnis von Wayne Rooney. Sicher spielt der auch ganz ordentlich Fußball und trifft ziemlich konsequent ins Tor, aber der Grund, warum kaum ein englischer Fan noch etwas von David Beckham wissen will, sondern alle für den 18-Jährigen aus Everton schwärmen, lautet: „Rooooooney“. Schon auf dem Weg zum Stadion ertönt allenthalben dieser gutturale Laut, der wie der Kriegsruf eines archaischen Volkes wirkt – was er in gewisser Weise ja auch ist. Beim Warmspielen, beim Einlaufen der Teams, bei jeder Aktion des Gepriesenen und gern mal auch einfach so zwischendurch: „Roooooney“. Würde der offizielle Rechteinhaber Lizenzgebühren für den Sound seines Namens nehmen, er wäre im Handumdrehen noch reicher, als er es ohnehin bald sein wird. Und würde er zusätzlich Lizenzgebühren für Wortspiele mit seinem Namen nehmen, die gesamte englische Presse müsste in Kürze Konkurs anmelden. Und Beckham? Der hätte bei seiner Heirat mit Victoria Adams vielleicht doch besser deren Namen angenommen. Obwohl: „Aaaaaadaaams!“ klingt eher, als würde ein Mutter ihren Jungen zum Mittagessen rufen.
Luis Figo hat es da besser. Seinen Namen kann man skandieren. Sowohl Luis als auch Figo. Tun die Portugiesen bloß nicht mehr so häufig. Sie rufen lieber „Ronaldo“, meinen aber nicht den Brasilienmoppel von Real Madrid, sondern den trickreichen 19-Jährigen auf Portugals Flügel. Das ätzt. Und dann wechselt einen dieser Scolari auch noch aus. Mitten in der Ausführung eines Eckballs, nachdem Englands Keeper einen Figo-Schuss gerade noch um den Pfosten lenken konnte. Figo nahm übel. Als Portugal jede Sekunde brauchte, stand er erst mal eine Ewigkeit da, regungslos wie das Denkmal für Eusebio am Stadioneingang, dann schlich er mit dem Tempo eines gichtigen Parkinsonpatienten gleich an der Eckfahne vom Feld, verfügte sich direkt in die Kabine und ward nicht mehr gesehen. Weder beim Ausgleichstor noch in der Verlängerung noch beim Elfmeterschießen noch bei den anschließenden Jubelorgien der Mannschaft. Er habe sich die Elfmeter in der Kabine im Fernsehen angeschaut und dabei mit einer Statue der heiligen Dame von Fatima in der Hand gebetet, sagte Trainer Scolari später und fügte hinzu, es sei ihm völlig wurscht, was ausgewechselte Spieler täten. Ob es den Portugiesen auch wurscht ist, wird sich an den Figo-Rufen beim Halbfinale am Mittwoch messen lassen. Im Moment rufen die Leute sowieso am liebsten: „Puurtuugal!“ Schön viele U.