logologie (9) : AWD: Alles wird dufte
Anfang des Jahres wurde die Stadthalle umgetauft. Seitdem schäumt die antianglistische Fraktion der Weser-Kurier-LeserbriefautorInnen, Urbremer fürchten die Verwechselbarkeit mit Bremens Hauptkirche und Bürgermeister Scherf ist trotzdem sicher: „Die Zukunft gehört dem AWD-dome“. Grund genug für die taz, mit einer Logo-Analyse endlich Licht in die 650.000 Euro-Transaktion zu bringen.
Zunächst müssen allzu sinnfällige Konotationen und Mäkeleien aussortiert werden: Etwa, „AWD“ erinnere ans pejorative „jwd“. Der kleinliche Verweis, die drei Buchstaben stünden traditionell für „Abfallwirtschaft Dithmarschen“ verbietet sich für die taz, die mit diversen ostdeutschen Trink- und Abwasser Zweckverbänden enge Abkürzungsgemeinschaft pflegt, ohnehin.
Auch die Zweifel an Bekanntheitsgrad und Zuordnungsfähigkeit der Marke „AWD“ lassen sichleicht mit dem Hinweis parieren, dass der Finanzdienstleister die Vollform seines Namens („Allgemeiner Wirtschaftsdienst“) selbst nicht mehr verwendet.
Auf der graphischen Ebene wird es etwas schwieriger: Ein „dome“ ist ein Kuppelbau, also das Gegenteil der stadthallenspezifischen Hängedach-Konstruktion. Doch Letztere wird konsequenterweise bald der Vergangenheit angehören – was nicht passt, wird passend gemacht. Welche Alternativen bleiben auch, wenn die schöne Alliteration „AWD-Arena“ schon vergeben ist (an das vormalige Niedersachsenstadion)?! Da ist so eine spiegelsymmetrische Konsonantenbrücke (D-D) doch besser als nichts.
Schließlich deuten auch die beiden logodeckenden Streckbögendurchaus etwas „dome“-haft Kuppelartiges an. Zugleich – und das ist die entscheidende Funktion – erinnern sie an das LBS-Logo. Dieser vertrauensbildende Anklang an die solide Bausparkasse, die unser aller Zukunft „ein Zuhause“ gibt, ist angesichts der Existenz einer AWD-Geschädigten-Organisation (www.dlf-opfer.org) nicht unwichtig. Wegen fehlerhafter Anlageberatung in Bezug auf den Dreiländerfonds (DLF) war AWD vom Oberlandesgericht Celle zu Schadensersatz-Zahlungen verurteilt worden, Anfang Februar wurde das Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof auf Betreiben der Kläger gestoppt, das OLG-Urteil somit kassiert – laut BGH-Pressestelle ein „sehr ungewöhnlicher Vorgang“.
Weiter im Logo: Drei tendenziell auseinander fallende Blockbuchstaben werden von sechs Weiß-Horizontalen zusammen gehalten. Dass deren Zahl exakt der Menge an Stadthallenpfeilern entspricht, darf getrost als versöhnliche Reminiszenz aufgefasst werden.
Immerhin haben drei der als architektonische Avantgarde-Marken geltenden Pfeiler im kursiven „o“ des „domes“ Asyl gefunden. Allerdings wäre der Überinterpretation denn doch Tor und Tür geöffnet, wollte man die unnatürliche Steilung der „o“-umrandeten Dachstreben als Aufbäumen gegen ihre künftige Degradierung zu „Kunst am Bau“-Attrappen werten.
Ohnehin wird alles schön. Glaubt man dem kürzlich aufgestellten Baustellenschild, ist das linkerhand gelegene Congress-Zentrum quasi schon abgerissen. Ohne seitliche Belästigung erhebt sich der neue Dome in voller Pracht vor den wogenden Gipfeln des Bürgerparks. So viel Harmonie war nie.
Henning Bleyl