live in concert : Nylon
So zwischen den Tagen, das ist schon die schönste Zeit. Denkt man so. Meistens verschläft man sie ja. Oder hängt blöd durch, beglotzt den bleichen Mond, stiert in den leeren Kosmos.
„Die Liebe kommt, die Liebe geht / solange ein Stern am Himmel steht“, so tönten all die Comedian Harmonists. Alles Quatsch. „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt, bin ich mit meiner Sehnsucht allein“, stellte schon Hildegard Knef klar. Ist das menschenleere Bett doch gerade jetzt so zwischen den Tagen recht unerträglich. In dieser Stimmung zwischen todmüde und Herzensweh.
Wie solche ölig schimmernde Melancholie des chansonierten deutschen Schlagers irgendwie nach Nylon klingen kann, hat jetzt das Berliner Quintett gleichen Namens zum Abschluss ihrer Deutschlandtour in der Bremer Schwankhalle vorgeführt. Synthetischer Schick, extrem anpassungsfähig, dünn, seidiger Plastikglanz, pflegeleicht, emotionsabweisend – so wird deutsches Liedgut von Friedrich Hollaender über Manfred Krug bis hin zu Ideals „Feuerzeug“ soundtechnisch entstaubt. Sphärisch blubbernder Groove, recht schal designt, aber geradezu obszön relaxt. Chilloutmusik für die Einsamkeitslounge – daheim. Mal als Electro Bossa Nova, Dub-Reggae oder knisternder Housetrack. Drum&Bass durchpulst „Johnny, wenn du Geburtstag hast“, das durch Marlene Dietrich berühmt wurde. Und Daliah Lavis Coverversion von Carol Kings „It’s too late“ wird von Breakbeats zerwuselt.
Nylons Stil verbindet geschmackvolle Leichtigkeit und eine von Vergangenheit freie Unbedarftheit. Das klingt nicht nur nie überladen, sondern so gar nicht beladen.
So wie das Polyamid Nylon als Strumpf auch die schönsten Beine steril verpuppt, trägt die Nylon-Sängerin die Songs vor: puppenhaft bewegungslos im Glitzerkleid – mit sauber moduliertem jazzy Singsang. Unbeteiligt, anti-lasziv. Oder aufgeblasen cool. Als ob die schwermütige Nacht schon wieder gewöhnlicher Tag wär. fis