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Archiv-Artikel

linke programmatik Unrealistisch? Aber bitte, ja!

Der Autor Ernest Callenbach entwirft in seiner Gesellschaftsutopie „Ökotopia“ schöne neue USA: Drei Weststaaten erklären sich für unabhängig und pflanzen Bäume auf die Straßen, die BürgerInnen kurven in Elektroautos drum herum und haben entspannten Sex. Im schönen neuen Berlin des Bündnisses ASG ginge es – dank reichlich Bundeskohle – ähnlich entspannt zu. Frage: Gehören linke Utopien ohne Aussicht auf Verwirklichung ins Abgeordnetenhaus? Antwort: Unbedingt, ja!

KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE

Sicher, es gibt ein paar Gegenargumente: Schlösse man Thilo Sarrazin mit den ASG-Konzepten ein – mit der Zwangsvorgabe, sie in Realpolitik umzusetzen –, hätte Berlin einen Finanzsenator weniger und ein psychisches Wrack mehr. Die ASG vermischt munter Bund- und Länderkompetenzen. Mehr noch, das Papier macht gar keinen Hehl daraus, ausschließlich auf Protest zu setzen und sich im Übrigen auch für den neoliberalen Irrsinn weltweit zuständig zu fühlen.

Was, unrealistisch? Wie angenehm!

Zum einen sind die WählerInnen nicht so blöd zu glauben, dass das Rundum-sorglos-Paket der ASG Wirklichkeit wird. Zum anderen hört man Ideen jenseits der Spardoktrin im Abgeordnetenhaus ungefähr so häufig wie in einer Finanzamtskantine. Längst haben alle Parteien das verinnerlicht, was mit dem Unwort „Sachzwänge“ umschrieben wird. Ob es Überlegungen zu Studiengebühren sind, Kürzungen bei Frauenhäusern oder teure Sozialtickets – die LinksaktivistInnen würden Rot-Rot zuverlässig dran erinnern, was im Koalitionsvertrag steht. Mehr noch, wenn sich Utopie an Sachzwang reibt, könnte gar die eine oder andere Lösung entstehen.

Beruhigend, falls es klappt mit der Fünfprozenthürde: Ein paar Sitzungen Hauptausschuss sind heilsam, auch für ASGler.