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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

■ betr.: „Es gibt keinen Grund, etwas zu ändern“, Interview mit dem CSU-Politiker Norbert Geis, taz vom 27. 5. 09

Todesurteil gerechtfertigt?

Vorausgesetzt, einer der zum Tode Verurteilten war tatsächlich ein Verräter (Wehrkraftzersetzer, Kameradenschwein?), der möglicherweise sogar den Tod seiner Kameraden verursacht bzw. billigend in Kauf genommen hat, würde dieser Sachverhalt eigentlich ein Todesurteil rechtfertigen? Offensichtlich in der Geisteswelt des Herrn MdB Geis, ja! In diesem Falle sollte man der Frage nachgehen, ob der Herr MdB Norbert Geis eigentlich mit beiden Beinen auf dem Boden unserer freiheitliche demokratischen Grundordnung steht. JENS LAUER, Berlin

■ betr.: „Im Namen des Führers“, taz vom 27. 5. 09

Einfach widerlich

Die Haltung der sogenannten Christlichen ist mal wieder derart heuchlerisch und damit unchristlich, dass es zum Himmel stinkt: als Blockflöte mit der SED pfeifen, heute die DDR als „Unrechtsstaat“ brandmarken, zugleich aber die NS-Unrechtsurteile bestehen lassen, auch noch nach 60 Jahren. Einfach nur widerlich! WINFRIED SCHNEIDER, Düsseldorf

■ betr.: „NS-Todesurteile immer noch gültig.Die Bundesregierung weigert sich, deutsche Soldaten zu rehabilitieren, die als ‚Kriegsverräter‘ von den Nazis hingerichtet wurden“, taz vom 27. 5. 09

Ein fortdauernder Skandal

Wenn man mit Gewalt in fremde Länder einmarschiert, die Deutschland nichts getan haben, dabei diejenigen Menschen tötet, die sich dagegen wehren, deren Häuser niederbrennt und deren Besitz raubt, was soll das anderes sein als ein Verbrechen? Dass die Deserteure, die sich davon abwandten, noch heute als Kriegsverräter gelten, dass sie selbst und ihre Nachkommen Verleumdungen und erhebliche materielle Nachteile seit Kriegsende erdulden mussten, ist ein fortdauernder Skandal.

Dass sich kein Wehrmachtsoldat für seine Beihilfe zum verbrecherischen Krieg rechtfertigen musste, ist eine bittere Tatsache. Dass sich aber gerade ein Deserteur für seine Nichtteilnahme an einem Verbrechen rechtfertigen soll: Alle, die dies fordern oder dulden, haben eine militärische Gesinnung im Sinne des Nationalsozialismus, verherrlichen den Zweiten Weltkrieg und dessen Methoden der Deserteursermordung. Sie sind die letzten Handlanger der braunen Machthaber, für die sich das Land in Grund und Boden schämen muss. RICHARD GRUBER, Schrobenhausen

■ betr.: „NS-Todesurteile immer noch gültig“

Wenn Unrecht Recht bleibt

1997 schrieb ich nach einem Artikel in der Berliner Zeitung dem damaligen Bundespräsidenten Herzog: „Der mir lange Zeit unbekannte Tatbestand, dass Wehrmachtdeserteure immer noch um ihre endliche Rehabilitierung kämpfen, während hohe Offiziere Opferrenten beziehen, hat mich aufgeschreckt.“

Zwölf Jahre später weigert sich die Bundesregierung, „Kriegsverräter“ zu rehabilitieren. Es ist genügend bezeugt (siehe zum Beispiel Ralph Giordano), dass in den eroberten Ostgebieten die Wehrmacht an der NS-Vernichtungspolitik aktiv beteiligt war. Wie konnte ein Soldat, der sich weigert, an Erschießungen teilzunehmen, Verrat an seinen Kameraden üben, und wie kann heute ein Politiker die Todesurteile rechtfertigen?

RENATE STEINITZ, Berlin

■ betr.: „Sachverständigenrat warnt vor Abwanderung. Experten fordern: Deutschland muss für ausländische Fachkräfte attraktiver werden“, taz vom 27. 5. 09

Viel und ordentlich nachholen

Deutschland hat seit 2003 also 180.000 Staatsangehörige abgegeben. Sind wir nicht großzügig?

Vielleicht sollte hier eine deutlichere Sprache gesprochen werden: 180.000 Bürger haben außerhalb der Bundesrepublik mehr Möglichkeiten für ihren beruflichen Werdegang gesehen und versuchen diese zu nutzen. Staatsverluste mit Abwanderung zu begründen ist ein Hinweis in die falsche Richtung. Dieses Land macht sich selbst immer unattraktiver und jammert hinterher über Fachkräftemangel und Steuerausfälle.

Warum müssen wir besonders darauf achtgeben, Fachkräfte zu „importieren“? Wie wär’s, wenn deutsche Industrie und Wirtschaft sich selbst mal wieder ernsthaft daran machten, entsprechend auszubilden und zu fördern? Die Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte ist ohnehin verfehlt, gerade deshalb muss besonders viel und ordentlich nachgeholt werden. Späte Integration über Ausbildung im Land ist besser, als über Gettoisierung zu klagen, Fachkräfte von außen zu holen und alle, die bisher ganz unten waren, genau dort zu lassen. Wir haben eine Bringschuld gegenüber unseren Immigranten! SONJA VON ELM, Osterode