leserinnenbriefe :
CDU nicht sozialdemokratisiert
■ betr.: „Und es geht doch um etwas“, taz vom 12. 9. 09
Zur Klarstellung: Die CDU hat sich nicht sozialdemokratisiert, sondern die SPD hat die CDU rechts überholt. Zudem kann ich auch keine Richtungsentscheidung erkennen. Einen Richtungswechsel gäbe es doch nur dann, wenn die SPD sich auf ihre Wurzeln besinnen, der Linken in starkem Maße entgegenkommen und mit ihr, sofern rechnerisch möglich, eine Koalition bilden würde.
KARL-HEINZ SCHLENKER, Balingen
Lehman ist vorbei, die Krise nicht
■ betr.: „In Schockstarre“, taz vom 15. 9. 09
Die Krise begann nicht mit der Lehman-Pleite, wie es gerne von Zentralbankern, Finanzministern und Bankaufsehern hingestellt wird. Mit dieser Behauptung versuchten sie, ihr krasses Versagen zu vernebeln. Tatsächlich musste Lehman sterben, weil Kapital und Kredite bereits im September vergangenen Jahres extrem knapp waren und man damals schon von einer „Kreditklemme“ hat sprechen können. Wenn heute neuerliche Milliardenspenden aus Steuergeldern den Banken zufließen, heißt es, man wolle die Unternehmen vor einer „drohenden“ Kreditklemme schützen. Was werden wohl die Unternehmer sagen, die bereits in diesem Jahr wegen der Kreditverweigerung von den Banken insolvent gegangen wurden.
Das Drama kündigte sich bereits Mitte 2006 an, als die amerikanischen Häuserpreise zu fallen begannen. Die Wundertüten aus Finanzprodukten verloren damals ihren Restwert und spätestens Ende Juli 2007 brachen die Geldmärkte zusammen. Die Krise nahm ihren Lauf. Schon zu diesem Zeitpunkt vertrauten sich die Banken nicht mehr. Sie wussten, mit welchem Schrott sie gehandelt haben. Die Ursachen der Finanzkrise werden gern den zu niedrigen Notenbankzinsen, vor allem in den USA, zugeschoben. Wie wir heute wissen, war es der neoliberale Glaube an die Vorteile unregulierter Finanzmärkte. Wie sehr haben sich die Eliten in Staat und Wirtschaft geirrt. Welch eine Lüge: Deutschland sei unschuldig in die Krise geraten, weil es solide aufgestellt gewesen sei. „Gut aufgestellt“ wurde damals von Steinbrück gebetsmühlenartig wiederholt, sodass es auch bald den zweifelhaften Eingang in den privaten Bereich gefunden hat. Auch dass die Banken systemisch oder systemrelevant wären, wurde so lange wiederholt, bis es jeder glauben musste. Heute demonstrieren Geschädigte nicht mehr mit den Worten: Wir sind das Volk, sondern: Wir sind systemrelevant. Lehman ist vorbei; die Krise nicht. Im Gegenteil, sie beginnt wieder. LOTHAR KULLA, Berlin
Referenzlosigkeiten
■ betr.: „Wer hier Probleme bekommt, ist weg“ von Stephan Wackwitz, „Alle Macht der Kunst“ von Jonathan Meese, taz vom 15. 9. 09
Eigentlich müsste ich jetzt schreiben, wenn ich denn meiner Stimmung nach dem Lesen des Wackwitz-Artikels Freiraum geben wollte: ein sehr schöner Artikel. Aber das ist Bullshit. Die Bestandsaufnahme ist gelungen, mehr als gelungen. Denn sie zeigt auf, dass das, was hier Struktur ist, nämlich Selbstverformung durch/aufgrund Überlebens- und Erlebensmaxime, kein spezifisches Problem der New Yorker Boheme ist. Spezifisch ist nur, dass es zum Beispiel in Berlin keine wirklich existenzielle Bedrohung darstellt. Zumindest nicht für die Hiesigen.
Insofern wäre das, was Meese am gleichen Tag in der taz – auf naiv bestimmende und doch verklärende Weise – herausbrüllt, der gleiche Bullshit wie zu meinen, Wackwitz’ Artikel sei „schön“. Letzterer beschreibt, dass die Kunst das Leben schon längst diktiert, während Ersterer immer noch – auf inverse Weise – proklamiert, was in den Wünschen der meisten Menschen sich formiert: nämlich ein Bild der heilen Demokratiewelt, die sich in Duell- und Dreikampfszenarien probieren und doch schon längst ihres eigenen Auftrags abkömmlich geworden sind. Mir scheint, es gibt da eine Ähnlichkeit zur „knapp fünfzigjährige[n] ehemalige(n) Repräsentantin einer Filmgesellschaft, die fünfzehn Jahre jünger aussieht und sich mit tatsächlich so alten Männern, Gelegenheitsjobs und allerlei künstlerischen Experimenten nach jahrzehntelanger Berufstätigkeit im East Village gerade ‚neu erfindet‘“. Referenzlosigkeiten, so weit das Auge reicht.
G. FLORENKOWSKY, Berlin
Hamlet zur Finanzkrise
■ betr.: taz-Sonderausgabe zur Lehman-Brothers-Pleite:„Nur weiter so“, taz vom 15. 9. 09
Im Hamlet steht zur Finanzkrise: Der Vorsatz ist ja der Erinn’rung Knecht – stark von Geburt, doch bald durch Zeit geschwächt. (3. Aufzug, 2. Szene). KARL STRECKER, Stuttgart