leserinnenbriefe :
Veränderungen fangen unten an
■ betr.: „Alle Mann an den Wickeltisch“, taz vom 6. 10. 09
Ich kenne die strukturellen Grenzen einer gut ausgebildeten, auf moderne familiäre und berufliche Arbeitsteilung hoffenden Mutter aus eigener Erfahrung sehr gut und sehe auf dieser Ebene – wie Frau Pinl – ebenfalls einen großen Handlungsbedarf. Dennoch dürfen wir – Frauen und Männer – uns nicht auf diese Position des Beklagens der aktuellen Situation und des Forderns nach entsprechenden steuer-, bildungs- und sonstigen politischen Veränderungen zurückziehen. Hier sind wir vor allem selbst gefordert, unsere Vorstellungen vom Leben kritisch zu hinterfragen, da hier bei aller Emanzipation bei jedem und jeder von uns die alten Vorstellungen von Familie und Arbeitsteilung immer noch sehr präsent sind – so haben wir es nun mal von unseren Eltern und Großeltern gelernt.
Wenn uns diese Rollenbilder und Verhaltensweisen heute nicht mehr angemessen erscheinen und uns bei der Entfaltung unserer Lebensweise hinderlich sind, dann obliegt es uns selbst (in allen Geschlechtern!), neue Verhaltensweisen zu entwickeln, diese zu leben und gegebenenfalls auch gegen Widerstände durchzusetzen oder zumindest dazu zu stehen. Das ist für mich ein wesentlicher Teil von demokratischem, bürgerschaftlichem Engagement, wodurch unsere Gesellschaft Stück für Stück umgebaut werden kann. Das passiert nicht (allein) durch ein paar Vorturner in der politischen Elite, sondern durch das alltägliche Handeln von Millionen von Menschen – oder auch eben nicht.
Veränderungen fangen bekanntlich unten an. Dies zeigen uns nicht zuletzt die von uns in diesen Tagen gefeierten, friedlichen gesellschaftlichen Veränderungen in der ehemaligen DDR vor 20 Jahren. MEIKE BÖCKE, Hannover
Gefährliche Mechanismen
■ betr.: „Begreife die Mechanik“, (Tagung „Mörderische Spiele“ in Erfurt), taz vom 1. 10. 09
Der Spieleentwickler Stadlbauer macht es sich ein wenig einfach mit der Aussage, dass Gewalt schließlich ein Teil unserer Kultur sei und die Medien quasi nur entsprechende Bedürfnisse befriedigen würden. Jeder weiß, dass man durch Angebote auch Bedürfnisse erst schaffen kann, hier also ein wechselseitiger Prozess eine Rolle spielt. Zudem wird der besondere Einfluss von Computerspielen generell ignoriert. Der Siegeszug dieses Mediums – speziell auch von Killerspielen – hat die Ästhetik in den Medien nachhaltig verändert. Die Ergebnisse sind immer brutalere Filmszenen und auch ein gnadenlos schneller Filmschnitt im Kino und Fernsehen. Eine immer stärkere Anpassung an die Rezeptionsgewohnheiten von Computerspiel-Akteuren kommt hier zum Ausdruck. Auch in Sachen ökonomischer Bedeutung haben Digital Games die anderen Medien längst abgehängt und sind damit Ausdruck ihrer Dominanz. Das vom Autor erwähnte Unbehagen der Tagungsteilnehmer ist mehr als berechtigt. Die Gesellschaft als Ganzes muss klären, ob Gewalt ständig und überall verfügbar bis zum Exzess simuliert und kultiviert werden soll. Auch wenn die Medien nicht ursächlich dafür verantwortlich gemacht werden können, so tragen sie dennoch zu einer dramatischen Beschleunigung von menschlicher Verrohung innerhalb der westlichen Kultur bei und sorgen dafür, dass zivilisatorischen Standards zunehmend erodieren. HARTMUT GRAF, Hamburg
Subventionen abschaffen
■ betr.: „EU lehnt Hilfen für Milchbauern ab“, taz vom 6. 10. 09
Wenn ich fünf Fahrräder herstelle und davon vier verkaufe, kann ich den Staat nicht anrufen und bitten, er solle mir doch das letzte Fahrrad auch noch abkaufen.
Wir kaufen jetzt schon überflüssige Lebensmittel und subventionieren den Export in die dritte Welt, deren Menschen 90 bis 95 Prozent in der Landwirtschaft arbeiten und davon leben müssen, da gibt es keine Industrie oder soziale Leistungen. Diese Menschen müssen mit diesen Billigprodukten aus den reichen Ländern konkurrieren und können nicht auf staatliche Unterstützung hoffen. Die ärmeren Länder können sich auch nicht durch Zölle wehren, da dies der IWF und die Weltbank verbieten, aber die EU erhebt Schutzzölle ihrerseits. Und dann fordern die meist konventionellen deutschen und französischen Bauern „faire“ Preise? Diese Subventionen machen zugleich die europäischen Lebensmittel günstiger, aber die Lebensmittel aus den ärmeren Ländern zwangsläufig teurer, zum Beispiel Zucker. Man sollte die Subventionen als Ganzes abschaffen, und die eingesparten Gelder könnten bedingungslos an die Menschen wieder verteilt werden, so dass die ärmeren Familien die Lebensmittel sich auch in Zukunft leisten können. BENEDIKT RÖHL, Wolfsburg