leserinnenbriefe :
Fahrzeuge sind auch Stehzeuge
■ betr.: „Niederländer zahlen künftig Kilometergeld statt Kfz-Steuer“, „Jedem Auto seinen Peilsender“, taz vom 16. 11. 09
Neben den Problemen der Erfassungs- und Zahlungsmodalitäten sowie dem erforderlichen orwellschen Überwachungssystem spricht auch ein Umweltargument gegen eine Steuer, die sich ausschließlich an der Fahrstrecke orientiert. Denn Fahrzeuge sind zu mehr als 95 Prozent ihrer Zeit Stehzeuge, die nicht bewegt werden und dann ebenfalls eine massive Umweltbelastung darstellen. Sie belegen in den Innenstädten den Platz, der für öffentlichen Verkehr, Straßencafés und Grünflächen dringend erforderlich wäre. In den Wohngebieten beanspruchen sie gesetzwidrig – aber völlig selbstverständlich von Bürgern, Polizei und berufsmäßigen Strafzettelverteilungen unbeachtet – häufig den Bürgersteig in einem Ausmaß, dass weder kinderwagenschiebende noch Rollstuhlfahrer noch gesetzestreu radfahrende Kinder geschweige denn plaudernde Pärchen den Platz finden, der ihnen zusteht und auf den sie angewiesen sind. Letztlich kann es sogar ökonomisch kaum gerecht sein, wenn manche den öffentlichen Raum in diesem Umfang als privaten Stellplatz nutzen, ohne eine Beitrag hierfür zu zahlen. GEROLF HEBERLING, Karlsruhe
Eine Portion Selbstbetrug
■ betr.: „Flauschkarnickel müssen sterben“, sonntaz vom 14. 11. 09
Viele ahnen es wohl inzwischen, auch wenn sie es meist nicht zugeben würden: Die Vorspeise zum Weihnachtsbraten ohne Reue ist eine ordentliche Portion Selbstbetrug. Die bewährten und einfachen Methoden zur Imprägnierung der eigenen Empfindungsfähigkeit sind Gewöhnung und Distanzierung: „Braten in spe“, „Viecher“, „Kreatur“ – nur noch Kinder und Debile kommen hier noch auf die Idee, Mitleid zu haben, während der richtig Erwachsene weiß, dass „der Tod nun mal zum Leben gehört“ (wobei der angeblich „stressfreie Tod“ ohne Einsatz von Betäubungsmitteln wohl auch viel mehr Wunsch als Wirklichkeit ist). Hilfreicher als launige Sprüche à la „Die alten Hühner kommen bei uns in den Suppentopf. Da sind sie wirklich gut aufgehoben“ wäre der Einsatz der eigenen Fantasie bei der Suche nach Alternativen zum Fressen-und-Gefressenwerden; denn der Preis ist für beide Seiten hoch: Die Tiere bezahlen mit ihrem Leben, wir mit der Klarheit des Denkens und Fühlens. RALF MASSOW
Nur noch im Ranking miteinander
■ betr.: „Wir brauchen mehr Mut zum Scheitern“, taz vom 18. 11. 09
Es wäre sehr schön, wenn dieser Bildungsgedanke aufgegriffen, diskutiert und verbreitet würde. Ich halte die aktuellen Bildungsentwürfe und -perspektiven nicht nur für gesellschaftlich gefährlich, sondern auch für menschenunwürdig, weil es zu einer Verwertungs- und Konsumdummheit führt. Schulen haben schon lange keine Ressourcen mehr, lebensbedeutsame Themen mit den Schülerinnen und Schülern zu behandeln, die nur noch zentral stattfindenden (Wissens-)Prüfungen verhindern soziales Lernen und Respekt voreinander. Der unselige Impuls, sich in allen Lebenslagen nur noch im Ranking miteinander zu sehen, hat sich schon tief in unseren Köpfen eingenistet. Es wird Zeit, dagegen etwas zu tun!
FRANK DÖRNER, Essen
Keine brauchbaren Lösungen
■ betr.: „Atommüll-Monopoly in Ahaus“, taz vom 14. 11. 09
Als störend – und da haben die Demonstranten recht – empfinde ich vor allem das Hin- und Hergeschiebe des „Atommülls“, sei er schwach-, mittel oder hochradioaktiv. Das sind doch alles keine brauchbaren beziehungsweise langfristig zufriedenstellenden Lösungen. Warum müssen sperrige „Stilllegungsabfälle“, die beim Abwracken der Reaktoranlagen anfallen, erst in einem Zwischenlager deponiert werden? Man kann die Ängste der Bevölkerung in der Umgebung von Ahaus gut verstehen, da nützt auch die beste „Beschwichtigungstaktik“ der Behörden und Betreiber nichts (mehr). Zu lange wurden die Leute mit den Entsorgungsproblemen, die angeblich gelöst sein sollen, hingehalten. CHRISTIAN LUKNER, Bonn
Linksschwenk der SPD?
■ betr.: „SPD fasst sich ein Herz – für Arbeitnehmer“,taz vom 16. 11. 09
Ohne den Beitrag zur Vermögenssteuer von Juso-Chefin Franziska Drohsel wäre dieser Parteitag eine Nullnummer und keine Zeile wert. D. FRICK, Waiblingen