leserinnenbriefe :
Was für eine verlogene Welt
■ betr.: „G-8-Chefs im Hungerstreik“, taz vom 17. 11. 09
Was ist das für eine verlogene Welt! In Abwesenheit der wichtigsten Politiker der Welt beginnt in Rom der UN-Ernährungsgipfel und verabschiedet schon zu Beginn eine Abschlusserklärung mit dem strategischen Ziel der Beendigung des Hungers. Vier Wochen zuvor ist in den Medien zu lesen, dass europäische Regierungen und Unternehmen in Afrika riesige Flächen pachten oder erwerben, um ihren Nahrungsmittelnachschub zu sichern bzw. Jatrophabäumchen anzupflanzen, um damit Biodiesel zu gewinnen! Und dann noch der riesige Fleischkonsum in der westlichen Welt und die Subventionierung landwirtschaftlicher Überschüsse.
JOHANN GEORG SCHILLING, Rodalben
Weltbevölkerungsgipfel
■ betr.: „G-8-Chefs im Hungerstreik“, taz vom 17. 11. 09
Die Welt braucht keinen Welternährungsgipfel, sondern dringender denn je einen Weltbevölkerungsgipfel. Jede Steigerung der Nahrungsmittelproduktion wird augenblicklich von der sich explosionsartig vermehrenden Menschheit wieder zunichtegemacht. Wenn man davon ausgeht, dass im Jahr 2012 etwa sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben werden und über neun Milliarden im Jahr 2050, dann zeigt das das ganze Ausmaß des Problems. Solange wir das nicht in den Griff bekommen, werden von Jahr zu Jahr mehr Menschen hungern und verhungern, Welternährungsgipfel hin oder her. ECKART LÖHR, Essen
BGE erfordert Paradigmenwechsel
■ betr. Feudalismus im Feuilleton“, taz vom 18. 11. 09
„Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) würde die Gesellschaft auf Dauer in Arbeitende und Alimentierte spalten“, so Mathias Greffrath. Tatsache ist, dass wir seit Jahren etwa 5 bis 6 Millionen Alimentierte zählen und immer noch von der Vollbeschäftigung faseln. Wie weit soll nach Meinung Greffraths die Arbeitszeit verkürzt werden, um Vollbeschäftigung zu erreichen? Wie hoch ist ein begrenzter Lohnausgleich? Das BGE garantiert jedem Bürger eine solide Grundsicherung. Darauf aufbauend kann jeder Mensch selbst entscheiden, wie lange und zu welchen Bedingungen er arbeiten möchte. So gesehen wäre eine Wahl, zusätzlich zum BGE 10 Stunden zu arbeiten, auch eine „Vollbeschäftigung“. Das BGE erfordert allerdings zuerst einen Paradigmenwechsel im Kopf in Bezug auf die Terminologie „Arbeitgeber/Arbeitnehmer“. PETER HERRMANN, Vogach
Schritt heraus aus der Moderne
■ betr.: „Feudalismus im Feuilleton“
Vielen Dank für den wirklich guten Kommentar. Die andauernde Bestrahlung aus den Medien, in denen Prominente Almosen verteilen, sich auf Charity-Galas gegenseitig abfeiern und zudem noch andauernd dämlichen Quatsch zu gesellschaftlichen Problemen äußern, erzeugt ja regelmäßig Brechreiz. Das dies jetzt allerdings auch noch von Sloterdijk und der Zeit gelobt bzw. gefordert wird, um den Staat zu retten bzw. gerechter zu gestalten, ist ein weiterer großer Schritt heraus aus der Moderne. PETER HEIL, Kiel
Angriffe auf die Menschenwürde
■ betr.: „Feudalismus im Feuilleton“
Greffraths Gedanke, Gerechtigkeit durch Teilhabe an gesellschaftlich (und persönlich) sinnvoller Arbeit und demgemäß auch durch Teilhabe am erwirtschafteten Reichtum herzustellen, ist mehr als unterstützenswert. Solange Arbeitsplatzbesitzer im Hamsterrad einer zunehmenden Arbeitsbeschleunigung ihre Gesundheit ruinieren, solange die wichtigsten Arbeiten wie Bildung für alle, die ökologische Umgestaltung der Gesellschaft, die Neubestimmung des Gesundheitswesens als psycho-sozio-kulturelle Ganzheitsmedizin etc., etc. nicht getan sind, gehört Arbeitslosigkeit zu den größten Irrationalitäten, die die aktuelle Politik hervorbringt. Die künstliche Verknappung menschlicher Arbeit, ihre Portionierung und Verabreichung als Teilzeit, Befristung und geringfügige Beschäftigung, ihr qualitativer Ausverkauf als 1-Euro-Job sind ein Angriff auf die Würde des Menschen. Gerade weil die Arbeit und der Arbeitende nicht voneinander zu trennen, Person und Tätigkeit so eng verknüpft sind, ist dieser Bereich so hoch sensibel und so hoch schützenswert.
MARGIT GEILENBRÜGGE, Dortmund