leserinnenbriefe :
Lehren, die vergessen werden
■ betr.: „In der Bevormundungsfalle“ von Heide Oestreich,taz vom 26. 1. 10
Liebe Frau Oestreich, ich möchte Ihnen ganz herzlich für Ihren Artikel zum Thema Feminismus und Islam danken. Einmal dafür, dass Sie die Kernaussagen des ausgezeichneten Aufsatzes von Birgit Rommelspacher nach den teilweise sehr unsachlichen Angriffen von einigen Autorinnen und Leserbriefschreiberinnen aufgegriffen haben, aber vor allem für Ihre Rückblenden und den Hinweis auf die Lehren aus gut drei Jahrzehnten internationaler Diskussionen. Auch ich beobachte mit Bangen, dass diese Lehren nicht nur in Vergessenheit zu geraten drohen, sondern dass die Gefahr besteht, dass nicht nur – aber auch – Feministinnen die von Birgit Rommelspacher beklagte „Gefahr einseitiger Selbstidealisierung“ praktizieren und die Frauen und Mädchen anderer Kulturkreise bevormunden. Wie die empörten Reaktionen auf Birgit Rommelspachers nüchterne Feststellungen beweisen, sind sich die selbst ernannten Verteidigerinnen der unterdrückten Musliminnen und anderer Opfer patriarchaler Herrschaft in Asien, Afrika und Lateinamerika nicht ihres Tunnelblicks bewusst, durch den die komplexe sozioökonomische und kulturelle Realität ausgeblendet wird, und letztendlich nur das Zerrbild der mit allen Mitteln zu befreienden „Schwester“ übrig bleibt. Ich habe den Eindruck, dass diese Haltung, die ja nicht nur in bestimmten feministischen Kreisen zu finden ist, erschreckend zunimmt. Ich denke, die durch den Aufsatz von Birgit Rommelspacher entzündete Debatte verdient es fortgeführt zu werden, damit wir nicht ins Mittelalter der Frauenemanzipation zurückfallen.
EVA-MARIA BRUCHHAUS, Köln
Mit Verboten hilft man nicht
■ betr.: „In der Bevormundungsfalle“
Sehr geehrter Frau Oestreich, es ist mir völlig unerklärlich, warum Ihr sehr sachlich gehaltener und (in meinen Augen) gut begründeter Artikel in den Online-Kommentaren eine derartige Flut von hasserfüllten Reaktionen hervorrufen konnte. Können die alle nicht lesen? Oder sind sie einfach intellektuell mit dem Verständnis Ihrer eigentlich glasklaren Argumentation überfordert? Schließlich ging es ja vor allem darum, dass es nicht ganz passt, im Namen des Feminismus Verbote gegen Frauen zu fordern. Dass Menschenrechtsverletzungen schärfstens bekämpft und Betroffene unterstützt werden müssen, ist völlig unstrittig! Mit Verboten hilft man ihnen aber nicht. Ich möchte Sie jedenfalls ausdrücklich unterstützen.
HERBERT GUTZER, Burgrieden
Überzeugend polemisiert
■ betr.: „Ungebrochene Selbstidealisierung“ von Birgit Rommelspacher, taz vom 18. 1. 10
Ich weiß nicht, ob Rommelspacher mit ihrem Essay eine Theoriedebatte auslösen wollte! Geeignet wäre er! Mir jedenfalls gefällt ihr streitbarer Text, weil sie u. a. auf Fallstricke hinweist, wie durch eine „Verschmelzung“ so komplexer Begriffe wie Kultur, Religion, Tradition, Patriarchat bei uns, im Westen, ein antiislamischer Feminismus entstehen konnte, der sich mit rechten Ideologien verbündet hat. Hilfreich für eine differenzierte Argumentation waren auch ihre Ausführungen über historisch konnotierte Bezüge zu faschistischer Frauenideologie. Rommelspacher polemisiert überzeugend gegen die bekannten Vereinfacherinnen, und sie macht es sich – und uns – nicht leicht dabei; sie fährt Geschütze auf, die etwas anderes zu ihrer Erwiderung benötigen als oberflächliche Abwehr und Beschimpfungen, nämlich Wissen und Theoriefähigkeit. Doch davon scheinen die Leserbriefschreiberinnen Bendkowski (taz vom 25. 1.) und Pitzen (taz vom 26. 1.) nichts mehr wissen zu wollen. MONIKA NEHR, Berlin
Ein Dialog wird so erschwert
■ betr.: „Der ewig reizbare Mann“ von Claudia Pinl, taz vom 23. 1. 10
Man kann natürlich lange darüber spekulieren, wie es Schweizer Feministinnen vielleicht gemeint haben könnten bei der Abstimmung für oder wider den Minarettbau in der Schweiz. Tatsache ist, dass bekannt war, dass es um eine Abstimmung über den Bau von Minaretten ging. Die Mehrheit der in der Schweiz (und auch woanders) lebenden Moslems sind weder radikale Islamisten noch Fundamentalisten, sondern Otto-Normal-BürgerInnen. Ihnen hat man durch die Ablehnung zu verstehen gegeben, nicht erwünscht zu sein. Gerade Feministinnen müsste es eigentlich klar sein, dass sie so ihren moslemischen Schwestern nicht den Rücken stärken, denn ein Dialog wird so erst recht erschwert. MANUELA KUNKEL, Stuttgart