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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Alle weichgespült?

■ betr.: „Fünf Milliarden würden fehlen“, taz vom 18. 6. 10

Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, hält den Wegfall der Gewerbesteuer für problematisch, weil das Finanzierungsdefizit unter Umständen durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gedeckt werden müsste. In diesem Zusammenhang wären doch folgende Fragen interessant: Ist wirklich nur die Mehrwertsteuer die einzige Quelle zur Deckung eines Finanzierungsdefizit der Kommunen? Ist eigentlich die Gewerbesteuer eine zuverlässige Einnahmequelle für die Kommunen, mit der sie Zukunftspläne schmieden können? Und: Zahlen eigentlich alle angesiedelten Gewerbebetriebe, Handel und Dienstleister, für die die Kommunen teure Infrastruktur bereitstellen, wirklich Gewerbesteuer?

Schließlich: Stimmt die Binsenweisheit nicht mehr, dass die Gewerbesteuer zu einem teilweise ruinösen Wettbewerb der Kommunen um Gewerbebetriebe zu Dumpingpreisen führt? Stimmt es nicht mehr, dass die Gewerbebetriebe zumeist aus den Nachbargemeinden umsiedeln und nicht nur keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern der rationellere neue Betrieb Arbeitsplätze kostet?

Klar ist nur eines: Der steigende Flächenverbrauch – zirka 105 Hektar pro Tag in Deutschland – ist zum großen Teil auf die oben beschriebenen Dinge zurückzuführen. Alle Parteien haben sich aber darauf eingeschworen, diesen exorbitanten Verbrauch freier Landschaft bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag herunterzufahren, allen voran die Grünen. Wo sind sie geblieben? Sind sie alle weichgespült?

MARION ERNSTING,

Steinhagen-Brockhagen

Politische Wende

■ betr.: „Rot-Grün wagt die Kraftprobe“, taz vom 18. 6. 10

Eine rot-grüne Minderheitsregierung in NRW bietet die große Chance, das unsoziale „Sparpaket“ der Bundesregierung im Bundesrat zu stoppen und die Studiengebühren im Land abzuschaffen. Dies kann das Ende der zerstrittenen schwarz-gelben Koalition in Berlin einläuten durch Aktivierung der politischen Mitte-links-Mehrheit nicht nur in NRW. Darum ist der CDU-FDP-Koalition an der Tabuisierung eben dieser strukturellen Mehrheit gelegen, so wie in den Achtzigerjahren die Grünen tabuisiert wurden. Ein Hauptfehler des misslungenen Wechsels nach der Landtagswahl in Hessen war, CDU-Ministerpräsident Koch geschäftsführend im Amt zu belassen. Daraus ist zu lernen, dass erst Rüttgers’ Abwahl und die Wahl von Kraft die Voraussetzung für eine politische Wende leisten kann.

FRANZ SCHART, Gelsenkirchen

Gewaltige Chance

■ betr.: „Gute Idee, schlechter Stil“, taz vom 18. 6. 10

Der Kommentar bringt einen wichtigen Aspekt gut auf den Punkt. In der politischen Krise in Nordrhein-Westfalen steckt auch eine gewaltige Chance. Denn Minderheitsregierungen bieten die Möglichkeit zu einer besseren demokratischen Kultur, bei der die Inhalte eine größere Rolle spielen, weil das Blockdenken überwunden wird. Mit der Folge, dass viele Reformen wie etwa in Skandinavien wesentlich zielstrebiger ausfallen und von höherem Idealismus gekennzeichnet sind. Deshalb handelt es sich beim Bündnis, wenn SPD und Bündnis-Grüne es richtig machen und mit Inhalten punkten, um ein wegweisendes Projekt, das die Bundesrepublik erheblich weiterbringt. Denn ein Hauptgrund für politischen Stillstand liegt bislang im fehlenden parlamentarischen Teamgeist, der über Parteigrenzen verläuft!

RASMUS PH. HELT, Hamburg

Alles Chaoten?

■ betr.: „Linker Sprengsatz erfreut Rechte“, taz vom 17. 6. 10

Der Bundesinnenminister sieht den sozialen Frieden gestört, überdenkt oder hat schon in der Schublade weiterführende Maßnahmen gegen Demonstrationen etc. und die normalen, mit Recht demonstrierenden Demonstranten sehen sich in eine Ecke gedrängt, in die sie nicht gehören. Die politisch Mächtigen machen einen Pups zum Donnerschlag zum Nachteil des Demonstrationsrechts, der Demokratie, der demonstrierenden Menschen im Sinne von: alles Chaoten.

KAROLA SCHRAMM, Lelystad

Eklatanter Fall

■ betr.: „Linker Sprengsatz erfreut Recht“, taz vom 17. 6. 10

Selbstverständlich weiß ich im konkreten Fall überhaupt nichts, was über das hinausginge, was in allen Zeitungen steht, aber gerade deshalb stellt sich mir die Frage, ob es sich nicht in einem so eklatanten Fall von menschenverachtendem Vorgehen und in einer so brisanten politischen Situation wie in dieser Zeit um die Tat eines oder mehrerer Agents Provocateurs gehandelt haben kann, ist die Tat selbst doch ein ganzer Wasserfall auf die Mühlen derer, die das Anliegen der Teilnehmer jener Demonstration in Misskredit bringen wollen.

ORTWIN ZEITLINGER, Berlin