leserinnenbriefe :
Hebammenhilfe ist kein Luxusgut
■ betr.: „Aufschrei der Hebammen“, taz vom 25. 6. 10, Leserbrief „Rundumservice bei Geburt kostet Geld“, taz vom 26. 6. 10
Als Hebamme muss ich in einigen Punkten dem Leserbrief widersprechen. Wenn wir Hebammen uns an den Staat wenden, ist das etwas völlig anderes, als wenn dies die Privatwirtschaft tut. Wir gestalten – bisher zumindest! – unsere Preise nicht frei, sondern sind an unsere Gebührenverordnung gebunden. Unsere Aufgabe liegt im Rahmen der staatlichen Daseinsvorsorge. Hebammenhilfe ist kein Luxusgut! Was die hohen Versicherungsprämien angeht, sind es bei Weitem nicht immer die Eltern, sondern oftmals die Krankenkassen, die auf der Suche nach „Schuldigen“ Hebammen (und Ärzte) zur Rechenschaft ziehen.
Eine persönliche Betreuung der Geburt sollte eine Selbstverständlichkeit sein, auch im Klinikbereich. Inzwischen haben auch manche Krankenkassen erkannt, dass individuelle Hebammengeburtshilfe sicher ist und Kosten spart, und unterstützen die Eltern finanziell entsprechend. Es kann gesellschaftlich nicht gewünscht sein, die Hebammenbetreuung zum Privileg für Vermögende zu machen. Dies gilt für die Geburt genauso wie für die Betreuung in Schwangerschaft und Wochenbett. Unsere präventiv ausgerichtete Arbeit spart direkt und indirekt immense Kosten im Gesundheitssystem und kann so ganzheitlich und umfassend von keiner anderen Berufsgruppe geleistet werden. Auch deshalb muss der Staat sich hier engagieren.
Es ist auch ein Trugschluss zu glauben, das Problem betreffe nur die „freien“ Hebammen. Zum einen ist auch die Bezahlung der angestellten Hebammen ein Hohn: Nach einer qualifizierten dreijährigen Ausbildung, mit dem Anspruch ständiger Fort- und Weiterbildung, bei Arbeitszeiten rund um die Uhr, an Wochenenden und Feiertagen und der Verantwortung für mindestens zwei Leben verdient eine angestellte Klinikhebamme nicht besser als die ungelernte Reinigungskraft. Zum anderen haben viele Klinikhebammen nicht die Wahl, ob sie „frei“ arbeiten wollen. Landauf, landab haben in den letzten Jahren viele Krankenhäuser auf das sogenannte Belegsystem umgestellt, das heißt, die Klinik spart sich die Sozialabgaben, die nun die in einem „Einsatzplan“ arbeitende Hebamme aufbringen muss. Auch diese Hebammen sind durch die Erhöhung der Haftpflichtgebühren in ihrer Existenz bedroht, manche kleine geburtshilfliche Abteilungen im ländlichen Bereich können so nicht weiterbestehen.
Es ist nicht so, dass wir Hebammen erst jetzt um die Aufmerksamkeit der Politik kämpfen. Seit Jahren ist unser Verband in dieser Richtung aktiv. Leider ist für uns das Mittel des Streiks schwer einsetzbar, da wir zumindest in der Geburtshilfe immer mit „akuten Fällen“ zu tun haben. MARGRET POSCHENRIEDER, Freising
EU verkennt die Realität
■ betr.: „EU sieht kein Lobbyproblem“, taz vom 23. 6. 10
Dass, wie die EU-Kommission beteuert, bei der EU kein „Lobbyproblem“ bestehe, dürfte eine Verkennung der Realität sein. Schließlich hat die EU-Kommission selbst ein Lobbyregister eingeführt, in das sich möglichst alle in Brüssel tätigen Lobbygruppen eintragen sollten, allerdings nur auf freiwilliger Basis. Nach zweijährigem Bestehen ist die Bilanz dürftig, da sich ein großer Teil der in Brüssel ansässigen Lobbygruppen nicht hat eintragen lassen. Außerdem hat die europäische Öffentlichkeit weiterhin kaum Einblick, was die geschätzten 15.000 Lobbyisten in Brüssel treiben und auf welche Entscheidungen sie Einfluss nehmen. Lediglich bei manchen Gesetzen werden die Initiativen konkret, wie bei der neuen Chemie-Verordnung REACH und jetzt bei der gescheiterten Ampel-Kennzeichnung von Lebensmitteln. Eine weitgehende Einschränkung des Lobbyismus gerade in Brüssel ist für die europäischen Bürger zu fordern. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel