leserinnenbriefe :
Der Mann ist Täter, nicht Verführer
■ betr.: „Der pädosexuelle taz-Kollege“, taz vom 22./23. 1. 11
Es ist sicherlich nicht leicht, sich seiner institutionellen und persönlichen Vergangenheit zu stellen, wenn schwarze Flecken bisher erfolgreich verdrängt wurden. Das Thema sexualisierte Gewalt von Männern gegenüber Kindern gehört auch für die taz dazu. Schwer ist nicht nur der Blick zurück auf Kollegen, die man/frau vielleicht schätzte, schwierig scheint es auch, die richtige Sprache zu finden.
Nun, an der sexistischen Sprache auch in der taz gibt es immer mal wieder Kritik. Und diesen Ball möchte ich in diesem Zusammenhang mit Zitaten aus dem Artikel erneut aufnehmen: „Sexuelle Gewalt. Einer der Verführer und Gewalttäter aus dem Odenwald …“ oder später „sexuelle Übergriffe auf Jungen sind etwas Furchtbares …“ – diese Form von Gewalt wird vielleicht vom Täter aus als Sexualität oder sexualisiert definiert, aus Sicht des Opfers ist es sexistische Gewalt und ein Verbrechen, mehr als „etwas Furchtbares“. Der Mann ist ein Täter, der eine kriminelle Tat begeht und seine Macht missbraucht, ein Verführer ist er sicherlich nicht. „Er (der Täter) verführte die Buben“ – nein, er missbrauchte seine Position.
Der letzte Absatz lässt hoffen: „Die taz wird sich mit dem Fall weiter beschäftigen …“ und hoffentlich dabei auch endlich die journalistische Sprache anpassen. Auch wenn es um die eigene Vergangenheit geht, hilft weitere Beschönigung nicht. KARIN SCHÜLER, Bonn
Es geht um Machtausübung
■ betr.: „Der pädosexuelle taz-Kollege“, „Nicht nur die Indianer“, taz vom 22./23. 1. 11
Vielen Dank dafür, dass ihr euch weiterhin mit dem Thema sexueller Missbrauch an Kindern befasst und euch dabei auch eurer eigenen Geschichte und der Geschichte der Linken stellt!
Einige der gesellschaftlichen Mythen, die sexuellem Missbrauch Vorschub leisten und sich oft in sprachlicher Vernebelung ausdrücken, spiegeln sich aber leider nach wie vor in eurer Berichterstattung. „Er verführte die Buben, …“, schreibt ihr über den Ex-Kollegen. Der Begriff „Verführen“ ist hier absolut unangebracht, steht er doch – positiv besetzt – für eine Handlung unter Gleichgestellten. Kinder aber werden manipuliert, um sich nicht gegen die Übergriffe zur Wehr setzen zu können. Weiter wird über den Ex-Kollegen berichtet: „Der attraktive Mann habe danach immer nur Beziehungen mit Frauen gehabt …“. Das aber sagt gar nichts! Auch „attraktive“ Männer missbrauchen Kinder, genauso wie solche, die Beziehungen zu Frauen leben. Hier hinter verbirgt sich das Vorurteil, Missbraucher seien immer Pädophile, also Menschen, die in ihrer Sexualität auf Kinder fixiert sind. Diese stellen aber nur eine kleine Gruppe aller Missbraucher dar. Dieses Vorurteil verschleiert außerdem die Tatsache, dass es bei Missbrauch in ganz erheblichem Maß um Machtausübung geht und eben nicht um die Folge eines sexuellen Notstandes. Nur auf diesem Hintergrund wird klar, dass der „normale Missbraucher“ sexuelle Gewalt zusätzlich zu sexuellen Handlungen mit Erwachsenen ausübt. MAREN KOLSHORN, Göttingen
Von Feministinnen lernen
■ betr.: „Nicht nur die Indianer“, taz vom 22./23. 1. 11
„Feministinnen, darunter die Macherinnen der Frauenzeitschrift Emma, wandten sich energisch gegen die Fraternisierung mit Pädophilen.“ Klingt ja so, als könnte die taz von Feministinnen noch was lernen. Mein Vorschlag: Lasst doch mal die Heiligabendausgabe von Feministinnen durchschauen, die Fotos daraus liegen mir noch immer schwer im Magen als Ballung dessen, was mich an der taz oft stört: Sportfotos 2010 (ausschließlich Männer), eine nackte Frau kuschelt mit dem Weihnachtsbaum, eine Mutter in Unterwäsche im Badezimmer, dazu noch ein Bildzitat irgendeiner ausländischen Zeitschrift mit nackter Frau … Schade, in vielen anderen Bereichen ist die taz eine Alternative zu anderen Medien, was Frauen- und Männerrollen und -darstellungen angeht leider allzu oft nicht!
SIBYLLE EHRKE, Krefeld