kurzkritik : Eleganz, nicht tanzdielenderb
Diese Stimme kann den Nebel in die Flucht schlagen. Wem Kaledonien bisher immer ein wenig grimmig, schroff und griesegrau erschien, der erfuhr beim jüngsten Sendesaal-Konzert, dass im nördlichen Teil der britischen Insel nur deswegen traurige Lieder gesungen werden, weil dort so fröhliche Menschen leben. Wie Emily Smith aus Dumfriesshire. Ein zauberhafter Geburtsort einer zauberhaften Stimme: empfindsam, warmherzig, klar. Die helle Intonation ist das Gegenteil des düsteren Schottland-Klischees. Und die Musik, begleitet von einem Fiddler/Flötisten und Gitarristen, weicht auch das Vorurteil der nationalistisch stolzen Verschlossenheit auf. Smith preist zwar die Schönheiten Schottlands und die tapfere Verteidigung der Kultur, modernisiert traditionelle Lieder und Tänze aber in Richtung Pop. Scottish Folk klingt nicht mehr tanzdielenderb und kneipenlaut, sondern elegant und weich in der Melodieführung. Die Traditionals begleitet Smith gern auf dem Akkordeon, die den Traditionals nachempfundenen Eigenkompositionen auf dem E-Piano. Auch hier: Historienstolz und Weltoffenheit. Wäre das Konzert ein Whiskey, nur mal angenommen, würde sich der Kenner in etwa so artikulieren: „Delicate, dry, fresh, rich, but balanced, smooth, mellow. Mellow – that’s it.“ Jens Fischer