kurzkritik: „traumfrau mutter“ : Plazenta und Parasiten
Wenigstens einmal im Leben Sex haben, der sich gelohnt hat. Mamma mia! Sie stürzen sich sehenden Auges in ihr – biologisch und gesellschaftlich eingefordertes – Ehrenamt, sind nicht mehr selbstbestimmte Frau, sondern deren Fortsetzung: Mutter. Das leise Zappeln im Bauch als erster Schritt zur Erleuchtung? „Zur Verblödung“, resigniert „Traumfrau Mutter“ Deborah. Ein Teil des Verstandes: hormonell neutralisiert, ein weiterer werde mit der Plazenta ausgestoßen, ein dritter schwappe noch in den Brüsten, um vom Nachwuchs rausgenuckelt zu werden. Ingolf Lücks Inszenierung blickt ins Gruselkabinett ziemlich Alleinerziehender, die sich fragen: „Warum denke ich nur noch in Hauptsätzen?“ Besabbert, erschöpft, überfordert, umquengelt taumeln die Mütterwesen als wandelnde „Milchspritzbrunnen“ durchs neue Leben, „besessen vom Schlaf“, und notieren: „Lieber Partner, ich vermisse unsere alte Beziehung.“ Sexuell ausgehungert wird eine Banane zum Oralsex genötigt. Während sich die einstigen Wuschelpuschelniedlichkeiten zu Parasiten mit teuflischem Grinsen entwickeln. Väter tauchen nur in der Fantasie noch auf: spitz wie der Besenstil des Wischfeudels. Gag und Kenn-ich-Gelächter im steten Wechsel. Die pure Addition ergibt auf der Bühne, im Gegensatz zur Mathematik, ein Nullsummenspiel. Extrem charmant dargeboten funktioniert der Abend aber als satirisches Kompendium, für das, was echt nervt am Elternsein - und als mut-, nicht lustmachendes Plädoyer für eine Welt voller Schreihälse.
Jens Fischer
„Traumfrau Mutter“, Goethe-Theater, bis 3. August