kurzkritik: heilige johanna der schlachthöfe : Ein Prosit der Eindeutigkeit
Hier ist alles ernst gemeint. Das signalisiert schon der Rahmen: Statt Hochglanzprogrammheften teilen am Goetheplatztheater Arbeiterklassedarsteller getackerte Reader aus. Als ginge man nicht in eine Aufführung, sondern ins Proseminar über Bert Brechts „heilige Johanna der Schlachthöfe“. Statt der gewohnten Fanfare ruft eine Art Werksklingel schrill ins Theaterhalbdunkel, wo, immerhin, doch Polstersessel warten. Auf der Bühne wird wirklich Fleisch gebraten. Und ganz am Ende muss Susanne Schrader als Titelheldin tremolierend verkünden, es hülfe „nur Gewalt, wo Gewalt herrscht“, ja, überhaupt: „die welche sagen, sie könnten sich erheben im Geiste, soll man mit den Köpfen auf das Pflaster schlagen“. Und Ende. Weder die surreale abdriftende 1930er-Schlussszene noch die sarkastisch-goetheanische der Druckfassung lässt Frank-Patrick Steckel spielen: Ein Prosit der Eindeutigkeit! Steckel hat das Stück – Fleischkönig Pierpont Maulers profitträchtige Transaktionen führen zu Massenentlassungen auf den Schlachthöfen, auch und erst recht nachdem sich die investigative Heilsarmistin Johanna Dark einmischt – mit Blick auf Globalisierung und Nokia-Krise gelesen. Er hat es auch mit weit ungebrochenerem Revolutions-Pathos aufgeladen, als das Original besitzt. Das wäre unerträglich, wäre Steckel kein Meister der Schauspielerführung. Glenn Goltz lässt er den Mauler bedrohlich sympathisch spielen, auch bremst er Jan Byls Hang zum Overacting trefflich aus: Überzeugend fies gibt der Maulers Strohmann Sullivan Slift. Der Applaus am Ende ist ungerührt warm. Eingeschlagene Köpfe meldet die Polizei bislang nicht. Benno Schirrmeister