kurzkritik: „Nipple Jesus“ in der Kunsthalle : Türsteher-Kunst
David ist Türsteher, hat keine Ausbildung, aber eine Frau, die ihn anderen Leuten gerne als „Sicherheitsbeauftragten“ vorstellt. Weil er nicht immer nachts arbeiten wollte, ist er in ein Museum gegangen und hat als Aufsicht angeheuert. „Ist mir scheißegal, ob das Kunst ist“, sagt er. Und, ganz global betrachtet: „Richtig viel Spaß hatte ich in einem Museum nie gehabt.“
Das alles erzählt David in der Hamburger Galerie der Gegenwart, schlecht rasiert, in Aufseheruniform, inmitten moderner Kunst. „Nipple Jesus“ heißt das Stück, das in Koproduktion zwischen dem Schauspielhaus und der Kunsthalle entstanden ist. Und „Nipple Jesus“ heißt auch das Gemälde, das David bewachen muss.
Von weitem, sagt David, sei es einfach nur das Bild eines leidenden Christus gewesen. Erst aus der Nähe habe man gesehen, wie es gemacht war: Aus vielen kleinen Brustwarzen-Fotos, ausgeschnitten aus Porno-Heften. David findet das nicht in Ordnung. Dann aber lernt er die Künstlerin kennen und den Hass der klerikalen Kritiker und denkt nach über „Nipple Jesus“ und seine Frau und blasierte Journalisten. Das Bild gibt ihm Bedeutung. Und am Ende betrügt ihn die Kunst.
Was großartig ist: Autor Nick Hornby hat mit „Nipple Jesus“ eine Beziehung beschrieben – zwischen der Kunst und David. Dass daraus kein Happy-End wird, gibt beiden Luft zum Atmen. Ebenso im Gleichgewicht bleibt, was Schauspieler Hermann Book und Regisseur Konradin Kunze aus der Figur David gemacht haben: Klar, David ist ein Allerwelts-Underdog, ist einer, über den man lacht. Respektabel bleibt er dabei allemal.
Klaus Irler