kurzkritik: „Mäusebutter“ in der Schwankhalle : Strampeln, bis der Boden fest wird
Wo hört das Soziologieseminar auf und fängt das Drama an? Bei der Junges-Theater-Produktion „Mäusebutter“ weiß man es nicht so genau. Die Textcollage zum Thema „Wie frei kann der menschliche Wille sein?“ zeigt sich wie eine Vorstufe zum Drama, als Blick in den Ideensammelkasten der Autorinnen und Darstellerinnen Anja Wedig und Janine Claßen: Zeitungskommentare wechseln ab mit soziologischen Theoriefragmenten, aus dem Off eingespielten Dialogfetzen und – kruder Höhepunkt – Udo Jürgens’ Spießerbefreiungshymne „Ich war noch niemals in New York“.
Theater, Bewegung, Interaktion reduzieren sich im Wesentlichen auf die Wortspiele der freien Assoziation, die Sigmund Freud erfand, um das wachsame Bewusstsein auszutricksen und das Wahre, Eigentliche aus den seelischen Untiefen hervorzulocken. Auch das eher eine dramatische Vorstufe, eine Methode der Rollenentwicklung bei Schauspielern. Weiteres sparsames Spielelement: die Versuche der Akteurinnen, die steile Wand einer Skaterrampe emporzukrabbeln. Ein schlichtes Bild für die schlichte Weisheit, die dem Stück den Titel leiht: Die Maus im Milchtopf, die das Schwimmen aufgibt, ertrinkt. Wenn sie genug strampelt, wird die Milch zu Butter. Der Wille zur Freiheit zählt, lehrt die Geschichte. Gesche Gottfried, der legendären Giftmörderin, deren düstere Geschichte aus dem Off angespielt wird, hat er nicht geholfen. Sie tötete ihre Freundin, die ein beengtes kleinbürgerliches Leben führte, und ihren Vater, der sich für seine freizügige Tochter schämte. Willensfreiheit, Freiheitswille – das geht munter-assoziativ durcheinander. Am Ausgang gibt’s die Texte zum Nachlesen am heimischen Schreibtisch – wo sie besser aufgehoben sind als im Theater.
Annedore Beelte