kurzkritik: Basically I don‘t but actually I do : Eine sehr persönliche Geschichte
Am Anfang ist das Kinderspiel. 1, 10, 20, zählt Jochen Roller und sprintet seiner Kollegin Saar Magal hinterher. Fangen halt. Und doch von Anfang an alles andere als harmlos – er steckt in einem braunen Kostüm, sie in einem gelben, er ist Deutscher, sie Israeli. Infernalisch laut poltern ihre Schritte auf der Bühne. Nichts ist so schnell wie der Übergang vom Guten zum Schlechten: Dieses alte Wort von Lessing schwebt über dem Stück wie in der Genesis der Geist überm Wasser.
33, 45 sind die nächsten Zahlen, die fallen. Damit ist der Kontext des Stücks so klar umrissen wie die Spielfläche mit dem weißen Quadrat. Das ist mit einem Klebestreifen auf der Bühne fixiert, den die Aufschrift „Vorsicht zerbrechlich“ ziert. Ringsum auf dem Boden sitzt das Publikum, gefährlich nah am Geschehen. Dabei ist das Stück „Basically I don’t but actually I do“ ideal, um dem Unerfahrenen die Angst vorm Tanztheater zu nehmen.
Gekonnt hält es die Schwebe zwischen narrativer Verständlichkeit und semantischem Überschuss. Ergreifend ist die Geschichte, ausgehend von einem Foto, das einen SS-Mann bei der Erschießung einer jüdischen Frau zeigt, streng und nüchtern die Choreografie. Voller Einfälle, kommt das Stück in kargen Bildern daher. Von großem Ernst, nimmt es doch auch Züge der Groteske an. Das alles unter beeindruckender Akustik. Das Stück raschelt, klappert, stampft und dröhnt. Als Zuschauer wagt man kaum zu atmen. MAP
Kampnagel, Do., Fr. und Sa. 20 Uhr