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kunstmesse etc.Das 5. „art forum“ sucht nach globaler Vernetzung

Widerstand und Schokolade

Die größte Installation steht vor dem Messegelände. Aber nur temporär. Sie wird nach der Eröffnungsparty wieder abgebaut. Gestern abend wollte jedenfalls der Fernfahrer aus Homburg zurück nach Hause. Mit seinem Lkw, auf dem er ein Stück Leinwand aufgespannt hatte mit der Aufschrift: „Wir lassen uns nicht in den Abgrund steuern“.

So richtig reagieren kann beim 5. „art forum“ niemand auf das Happening – obwohl sich zeitgenössische Kunst gerne sozial aufgeschlossen gibt. Aber eine Messe dient ja dem Verkauf und nicht der Mobilisierung von Öffentlichkeit. 159 Aussteller aus 23 Ländern, an die 1.400 Künstler und Künstlerinnen, noch einige tausend Arbeiten mehr – da kommt ein angenehmes Durcheinander zustande, das sich nach mehreren Stunden Bilderbummel nicht ordnen lässt: Irgendwo hing ein Warhol, irgendwo stand ein zersägtes Häuschen, irgendwann taten die Füsse weh.

In Zahlen – von der Menge der Stände bis zum Umsatz der Verkäufe – reicht das „art forum“ nicht an die „Art Cologne“ heran. Dafür ist hier alles liebevoller gemacht: Manche Galerien haben in ihren Kojen kleine, fast schon museale Retrospektiven eingerichtet. Kapinos aus Berlin zeigt etwa Sam Durant, der die Geschichte der US-Protestbewegung von 68 remixt. Bei der Düsseldorfer Galerie Sies + Höke können die Besucher den kompletten Stand wegknabbern – Sonja Alhäuser hat sämtliche Kunstwerke aus Schokolade gießen lassen, und die Messemöbel gleich mit. Vielleicht wird sie für ihre Installation ja von den Kollegen der Berliner Seiten der FAZ zur coolsten Koje gewählt. Vielleicht wird es auch Peter Friedls sechseinhalb Ausstellungsmeter langer Neonröhrenspruch „20 years of resistance“, weil sogar die FAZ mittlerweile vom Widerstand träumt.

Andererseits ist die Berliner Kunstmesse in der Globalisierung angekommen. Es gibt Zusammenschlüsse von internationalen Galerien, die ihre gemeinsame Ausstellungsfläche zum großzügigen Parcours angelegt haben, auf dem die kapitalismuskritische Kunst des Schweizer Wahlfranzosen Thomas Hirschhorn besonders gut zur Geltung kommt. Widersprüche inklusive. Das gilt auch für Spezialeinladungen an 100 weltweite Sammler, über die sich einige Galeristen vor Ort geärgert haben. Lieber hätte man heimische Käufer umworben. Aber die werden sowieso kommen, meinte die Messeorganisation im Vorfeld. Bei Kundschaft aus New York sei man da nicht unbedingt sicher.

Die neuste Errungenschaft der Messe ist übrigens ein Stand der ALLBANK. Dort kann man spontan einen Kredit von bis zu 8.000 Mark aufnehmen, wenn es zu sehr in den Fingern juckt. Wer ganz große Beträge möchte, muss allerdings innerhalb von 24 Stunden den letzten Gehaltsnachweis vorlegen, sonst wird es nix mit 100.000 Mark. Und die braucht man schon für einen Richter. HARALD FRICKE

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