kunsthalle, glamour etc. : Vor dem Schloss: die Wolke
Interessante Signale sind das, die das Rote Rathaus seit einigen Tagen zur Zukunft des Schlossplatzes aussendet. Jahrelang hatte sich Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit aus allem herausgehalten und auf die Position zurückgezogen, die Zukunft der Ostberliner Mitte liege in der Verantwortung des Bundes. Und dann erklärt der Kulturstaatssekretär André Schmitz das neu zu errichtende Humboldt-Forum zum „Grand Projet“: jene Mischung aus alter Fassade und neuem Innenraum, die auf der Grundfläche des alten Stadtschlosses gebaut werden soll und nach neuen Planungen des Bundesbauministeriums nun für wesentlich weniger Geld zu haben sein könnte. Doch nur wenige Tage später erklärt sich Schmitz zum Unterstützer des „Museums auf Zeit“, das nach einer Idee des Monopol-Herausgebers Florian Illies auf dem Schlossplatz als temporäre Kunsthalle entstehen soll. Und nicht nur das, er weiß auch schon, welcher der fünf Entwürfe, die Monopol im vergangenen Sommer als Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs präsentiert hatte, denn gebaut werden soll: die „Weiße Wolke“ des Architekturbüros Graft.
Kein Frage, es ist der spektakulärste der damals präsentierten Entwürfe. Ein lang gestreckter, organischer, skulpturaler Bau. Ein Museum, das sich prima neben den anderen Gebäuden der globalen Kunstunterkunft-als-Kunstwerk-Schule machen dürfte. Trotzdem verwundert der plötzliche Aktionismus von Schmitz und Wowereit – zu glauben, dass sie sich hier ein Feld gesucht haben, in dem von den Komplikationen der restlichen Kultursenatorenarbeit zwischen Opernstiftung und Sparzwang abgelenkt werden kann, dürfte zu kurz gegriffen sein.
Andere Szenarien haben eine wesentlich höhere Plausibilität. Angelina Joli und Brad Pitt, so hieß es vor einigen Tagen, haben sich eine große Wohnung in Berlin-Mitte gekauft. Die Architekten des Berliner Büros Graft, die die Wolke entworfen haben, arbeiten im Auftrag von Pitt nicht nur an mehreren großen Projekten (das spektakulärste dürfte ein 60 Millionen Euro teures Luxushotel in Palm Springs sein), sie sind auch mit Pitt befreundet und führen ihn laut Welt sogar als Mitglied ihres Designteams. Kurz: Es lässt sich keine sinnfälligere Umsetzung des Wowereit’schen Kulturbegriffs vorstellen, als zusammen mit Brad Pitt ein Museum für zeitgenössische Kunst zu eröffnen.
Während alle auf das Schloss schauen, hat das Schlitzohr Wowereit wieder eine Möglichkeit gefunden, sein „Arm, aber sexy“-Mantra umzusetzen. Drei Millionen Euro soll das Gebäude kosten, das ist selbst in einer Stadt wie Berlin kein Betrag, für den man länger als ein paar Tage suchen muss. Zumal wenn man das übliche Begleitprogramm anbieten kann: das ewige Versprechen einer Hauptstadt als Laboratorium für die Zukunft. TOBIAS RAPP