kuckensema: neu auf bremens leinwänden : Klang und Bild vom Geist der Rechner: Die „Austrian Abstracts“ im Museum Weserburg
Der Kunst gehen zunehmend die Autoren, Komponisten und Bildermacher verloren. Gibt es noch einen Regisseur im klassischen Sinne, wenn ein Film von Computerprogrammen digital montiert und verfremdet wird? Gibt es noch einen Musiker, wenn elektronische Klänge durch Rhythmusprogramme, Schleifen und Filter generiert werden?
An den Schnittstellen – zwischen Mensch und Maschine, Klang und Rechnerbild – haben die „Austrian Abstracts“ ihre Arbeiten angesiedelt. Die unabhängige Künstlergruppe aus Österreich erregte in den letzten Jahren international reichlich Aufmerksamkeit, da ihre Kunstformen und Präsentationen schwer zu fassen sind: Netzprojekte, 3-D-Animationen, Visuals, Digitalvideos und seltsamerweise auch live-Performances, bei denen in Echtzeit mit den Maschinen digitale Unikate kreiert werden.
Die Projektgruppe „Neue Musik Bremen“ veranstaltet heute Abend in der Weserburg solch eine Show der Wiener Künstler Michaela Grill (Video) und Martin Siewert (Live-Electronic).
Sie wollen „die Maschinerie und deren Schaltkreise bewusst als Mitkonstrukteur“ nutzen. Wobei vorbereitetes Video- und Soundmaterial live gemischt und gesteuert wird, so dass Rechner und Künstler multimedial miteinander improvisieren.
Am Freitag wird dann im Kino 46 um 20.30 Uhr und um 22 Uhr ein Doppelprogramm mit 23 Filmen der „Austrian Abstracts“ zu sehen sein. Diese sind zwischen einer und neun Minuten lang und können rein formell am ehesten noch als Musikvideos bezeichnet werden.
An einer abbildhaften Wiedergabe der Realität sind die Künstler ebenso wenig interessiert wie an narrativen Formen oder einer dekorativen Illustration der elektronischen Musik. Dabei ist sie noch vergleichsweise zugänglich und vertraut, besteht aus Rhythmusschleifen und statisch meditativen Ambient-Klangteppichen sowie Noisefragmenten – wie Rauschen, Knacken und Knarzen.
Wirklich neu aber sind die „Österreicher Abstrakten“ auf der Bildebene, denn dort arbeitet sie radikal reduziert mit Schemen, Rastern, Flächen und Mustern, die sich meist einer eindeutigen Zuordnung und Deutung entziehen.
Man denkt bei den rhythmisch auftauchenden geometrischen Formen von Michaelas Schwentners „Transistor“ an die Bilder von Wassily Kandinsky. „Frame“ von Annja Krautgasser wäre im klassischen Filmvokabular ein riesiger Reiß-Schwenk, bei dem die Aufnahmen aus dem Fenster eines fahrenden Autos heraus so schnell an den Augen vorbeiwischen, dass man nur die Bewegung selbst wahrnehmen kann.
Wenn in Thomas Aigelsreiters „Key West“ mal Fotos von Strandszenen im Florida der 60er Jahre als Ausgangsmaterial verwendet werden, dann wurden sie durch verschiedene Bildbearbeitungsprogramme so verfremdet, dass auch sie wie abstrakte Strukturen wirken.
Diese Dekonstruktion von Bild und Ton ist ein beliebtes Stilmittel der Gruppe. So lassen sie ihre Computerprogramme absichtlich abstürzen, um an die digitalen Grenzen ihrer Arbeitsmittel zu gelangen. Da klingt die Tonspur dann manchmal wie ein Störgeräusch, und die Bilder wirken wie von einem Virus zerfressen: Pixelsalat einer fehlerhaften Bildröhre. Wilfried Hippen
Austrian Abstract: heute, 20 Uhr, Weserburg; Freitag, 20.30 Uhr und 22 Uhr, Kino 46