kuckensema: auf bremens leinwand : „Resist!“: eine filmische Hymne auf das „Living Theatre“
„Die Theatermacher haben die Verhältnisse umspielt; es kommt aber darauf an, sie zu verändern!“ Diese Umdeutung eines berühmten Satzes von Karl Marx wäre ein passendes Credo für das Living Theatre, das sich dessen Mitglieder aber ganz sicher verbitten würden, ist doch der Verfasser für sie ein schlimmer Reaktionär. Aber wenn die Gründerin Judith Malina sagt: „Wir wollten mehr Leben im Theater und mehr Theater im Leben!“, dann kommt sie dabei auf des gleichen Pudels Kern. Mit Schauspiel die Welt verändern ist seit inzwischen über fünfzig Jahren die Aufgabe dieses Kollektivs, das Agitprop für eine anarchistisch/pazifistische Umwälzung macht.
1951 gründete die jüdische Regisseurin und Schauspielerin Judith Malina zusammen mit dem Maler Julian Beck die Gruppe. Beide hatten noch bei Erwin Piscator gelernt, und so findet man bis heute eine starken Einfluss von Bert Brechts Theatertheorien in den Inszenierungen der Gruppe. Diese verweigert radikal jedes Zugeständnis an den kommerziellen Kulturbetrieb und segelte deshalb ständig am Randes des finanziellen Ruins entlang. „We´ve never been able to make a living with the Living“ witzelt einer der altgedienten Veteranen und man spürt, dass dieser Satz das negative Leitmotiv der Gruppe ist.
Es gibt einige von diesen Momenten in „Resist!“, in denen man merkt, dass Revolutionäre in gänzlich unrevolutionären Zeiten immer ein wenig lächerlich und traurig wirken. Dirk Szuszies, einer der beiden Filmemacher, war selber Mitglied des Kollektivs, und er hat einen dementsprechend parteiischen Film gemacht. Die Vergangenheit des „Living Theaters“ wird dabei eher hastig und ein wenig lieblos abgehandelt, und dies obwohl es beeindruckendes Archivmaterial aus den 60er und 70er Jahren gibt, an denen man so leider nur kurze Einblicke darauf gewinnt, wie provokant die Performances der Gruppe damals waren, wenn sie etwa 1968 in Avignon öffentlich Geld verbrannte. Dass sie 2003 in die „Hall of Fame“ am Broadway aufgenommen wurde, wird im Film nicht einmal erwähnt. Judith Malina geht diese nachträgliche Heiligsprechung offensichtlich auf die Nerven: „Fuck the legend!“ schimpft sie einmal in die Kamera, und diese folgt ihr dabei vielleicht ein wenig zu willfährig ins Hier und Jetzt der Gruppe.
Der Film porträtiert die Gruppe als einen sympathischen bunten Haufen aus Althippies und jungen Radikalen, denen der Idealismus in jeder Einstellung des Films aus den Augen strahlt und die scheinbar ruhelos den Krisen auf der Erde hinterher reisen. Am Ground Zero in New York, beim G-8-Gipfel in Genua und in einem ehemaligen Internierungslager im Libanon sieht man, wie sie ihre Gesänge gegen den Moloch des Imperialismus, den Krieg und die Todesstrafe anstimmen. Die Kamera bleibt dabei immer nah bei den Akteuren und zeigt, wie solidarisch, kämpferisch und optimistisch sie ihre Performances angehen. Dabei werden die Widersprüche nicht etwa ausgeblendet, wenn etwa junge Libanesen nach langen Diskussionen einen Workshop verlassen, weil sich für sie ihre Erfahrungen im Widerstand gegen Israel nicht mit der radikalen Gewaltfreiheit der Gruppe vereinen lassen.
So erfährt man viel vom Leben der „Living“ aber wenig von ihrem Theater. Dieses springt dem Publikum rigoros in Gesicht, etwa wenn es zwanzig Minuten lang nur die zuckenden und sich windenden Körper von Sterbenden auf der Bühne zeigt, oder Folterszenen mit kaum erträglicher Detailtreue nachspielt. Diese ästhetische Radikalität fehlt „Resist!“ völlig: Der Film will nie wehtun, und feiert statt dessen mit schönen Aufnahmen das ewige Rebellentum seiner Protagonisten. Wilfried Hippen
täglich in der Schauburg. Zur heutigen Premiere sind die Regisseure anwesend