kritisch gesehen: das jungetheater bremen spielt shaun tans bilderbuch „der rote baum“: Viel Vergnügen mit der Traurigkeit
Manchmal beginne der Tag „ohne Aussicht auf etwas Schönes“, so hat der australische Schriftsteller und Illustrator Shaun Tan einmal geschrieben, „und es wird nur noch schlimmer“. Das Buch, in dem dieser Satz steht heißt „Der rote Baum“ und ist gut 20 Jahre alt: eine Ewigkeit für ein Kinderbuch. Aber die ist für eine derartige Einsicht gerade lang genug.
Trotz dieser Zeitlosigkeit ist es allerdings kaum ein Zufall, dass sich Regisseurin Hannah Biedermann in der Jugendsparte des Bremer Theaters gerade jetzt mit dem Stoff beschäftigt hat. Denn die Jugend von heute ist die traurigste seit Langem. Traurigkeit, als Folge heftiger und multipler Krisen, und gar Depression von Kindern sind über die Coronajahre selbst pandemisch geworden, eine Krankheit, gegen die vergangenes Jahr mehr Tabletten den je verschrieben wurden.
In dem Stück ab sechs Jahren, das Ende Juni wieder gezeigt wird, spielt dieser große Zusammenhang nur am Rande eine Rolle. Der Fokus bleibt bei den konkreten Figuren und ihrer abstrakten Traurigkeit. Auf der von Mascha Mihoa Bischoff gestalteten Bühne wandeln Fabian Eyer, Frederik Gora und Barbara Krebs zwischen einem Heer von Stehlampen und herabrieselndem Laub umher – mal surreal kostümiert als ergreifend traurige, mal als komische Trauer-Gestalten. Je nachdem, ob sie gerade grässlich weinen oder hysterisch lachen. Oder einander in Monsterkostümen mit Tentakeln oder riesigen Plüschpranken verprügeln.
Die Anlässe der Traurigkeit bleiben vage: Man fühlt sich allein und unverstanden, ohne das erklären zu können. Kinderstimmen aus dem Off berichten von eigenen Erfahrungen: Manchmal bin ich traurig über dieses – wie einen toter Kater –, dann versuche ich jenes – Hörspiele anmachen etwa, weil man nicht weinen kann, ohne zu verpassen, wie die Geschichte weitergeht.
Statt einer strengen Erzählung zu folgen, hangelt sich die Inszenierung an den Motiven aus Tans Bildern entlang: sonderbare Fische, ein Taucher in einer Flasche – und natürlich der geheimnisvolle rote Baum aus dem Titel, der so was wie eine Lösung verspricht. Ein Mutmachstück im plakativen Sinn ist das nicht. Umgekehrt wird die Traurigkeit auch nicht metaphorisch überhöht. Sie ist da, wir alle erleben sie mal und verhalten uns dann, von außen betrachtet, mitunter sicher albern … Das scheint auch die Strategie der Produktion: Charaktere selbstmitleidig und melodramatisch zu überzeichnen, um sie danach dann doch und erst recht als Identifikationsfigur und Projektionsfläche anzubieten.
Denn klar darf gelacht werden, wenn ein Monster in Slow Motion auf die Schnauze kriegt. Und im besten Fall lacht man bei der Gelegenheit gleich über sich selbst mit, weil man natürlich sehr genau weiß, wie es dem Monster gerade geht. Jan-Paul Koopmann
Der rote Baum, Theater Bremen, Brauhaus, wieder 21.–23. 6. und 26.–28. 6., sowie 3. und 4. 7., jeweils 10.30 Uhr
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