kritik der woche : Was schon mal gut aussah, sieht jetzt noch besser aus
Knallig wie die elektronischen 1980er: Sven Väth neben Pril-Blume und großformatigen Werbe-Slogans. 100 kleinformatige Bilder hängen dicht gedrängt über einem Spiegelboden. „Nothing is permanent“ und „Pop is terror“ schreit es einem da entgegen, in dieser ersten Station der Ausstellung „What looks good today may not look good tomorrow“ des Luxemburgers Michel Majérus in der Hannoveraner Kestnergesellschaft. Haben wir ja schon immer gewusst.
Wirklich spannend sind die 80er und 90er mit Retro-Trends und Techno-Sound ja heute nicht mehr. Retro ist retro und die DJ-Culture schon lange nicht mehr subversiv. Warum also jetzt Majérus, dessen Mythos wohl nicht minder dadurch gestärkt wird, dass er 2002 im zarten Alter von 35 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam? „Majérus hat keine Konsumkritik angestrebt“, sagt Veit Görner, der Direktor der Kestnergesellschaft. Er habe „seine Fragen aus der Kunst entwickelt“, und gesucht, „was nach den schon vorhandenen Positionen für ihn als Maler zu tun übrig bleibt“.
Da er zugleich ein Künstler war, der seine Ausstellungen selbst gestaltete und meistens zu Installationen machte, blieb für Kuratorin Anne Prenzler jetzt sehr viel zu tun übrig: „Weil die Ausstellung eine Präsentation von Einzelstücken ist, war das mehr Rekonstruktionsarbeit.“ Die zudem in ein Gesamtkonzept einzupassen war: Die erste Retrospektive verteilt sich auf fünf internationale Ausstellungshäuser zwischen Graz und Amsterdam. Geboren wurde die Idee bei einem Round Table ihrer Direktoren, die allesamt den Luxemburger persönlich kannten und schätzen – darunter neben Görner auch Robert Fleck von den Hamburger Deichtorhallen. „Im Vergleich dazu ist das, was gerade aus Ostdeutschland gehypt wird, eine Lachparade an Flachheit“, unterstreicht Görner polemisch den Wert der Arbeiten. „Aber man braucht natürlich immer bestimmte einheitliche Merkmale, um ein Label vermarkten zu können.“ Apropos vermarkten: Die T-Shirts und Pins mit dem Logo des titelgebenden Bildes verkaufen sich sehr gut. Kunst braucht eben immer auch einen Mehrwert über sich selbst hinaus. Der an Reizüberflutung geschulte Majérus hat das schon immer gewusst: „It does not really matter what things look like if one cannot see them that well anyway“, steht da auf einer der Leinwände in Hannover. Wer also weiterhin nur Warhol sieht oder einen retro- orientierten Abgesang aufs Techno-Zeitalter, bitte sehr, auch das ist legitim.
Kerstin Fritzsche
Majérus, Kestnergesellschaft Hannover bis 12. 2., Deichtorhallen Hamburg bis 26. 1.