kritik der Woche: Benno Schirrmeister über Per Kirkeby: Belanglos expressiv
So bösartig hätte man es selbst nicht formulieren wollen: „Allein die Stilwechsel“ – doch, doch, das steht da wirklich! – „allein die Stilwechsel, die Per Kirkeby in seiner Malerei durchlaufen hat sind bemerkenswert“, so basht das KuratorInnenteam des Paula-Modersohn-Becker-Museums (PMBM) den dänischen Starkünstler, dem es die aktuelle Ausstellung widmet.
Das scheint denn doch zu sehr von den tatsächlich völlig belanglosen aktuellen Arbeiten des 78-Jährigen her gedacht, oder von seinen backsteinverklinkerten Skulptural-Bauten, die sich als diskrete, garantiert störungs- und aussagefreie Kunst in den öffentlichen Raum einbinden und dort sogar nutzen lassen: Per Kirkeby kann ja nix dafür, dass die BSAG seinen Verkehrsturm auf der Domsheide nicht mehr wofür auch immer braucht. Das Sockelgeschoss hat ein griechisches Kreuz zum Grundriss, drüber erstreckt sich das Gebäude als Achteck, weil das eine Form sei, die „immer irgendwelche Assoziationen“ wecke, so frappierend stumpf erläutert der Künstler in der Entstehungszeit in einem Brief an den damaligen Senatsbaudirektor seinen Plan. Damit der Turm anlässlich der Ausstellung im PMBM auffällt, hat das Lichtkollektiv Urban Screen drinnen 30 Glühbirnen installiert. Abends leuchten sie. Mehr scheint auch ihnen zu Kirkebys Werk nicht eingefallen zu sein.
Außer den Stilwechseln verdienen aber dessen malerische Anfänge sehr wohl Beachtung: Die der Pop-Art verpflichteten Masonit-Bilder aus den frühen 1960ern, die im Obergeschoss des PMBM zu sehen sind, haben eine Wucht, der man gern wiederbegegnet. Bloß übertüncht die halt nicht, dass der Mann seit den 1980ern einen kollossalformatigen abstrakten Expressionismus pflegt, der seine vorzüglichen dekorativen Eigenschaften vor allen Wandfarben von Weiß bis Apricot am besten ausspielt. Grün gibt der Maler an zwar zu hassen, aber der Markt verlangt es: „Ich kann mich ihm nicht entziehen.“
Diese Gemälde tragen entweder keine Titel, oder sie heißen irgendwas mit Landschaft: Brett – also Fels, oder Læsø, das ist die Kattegat-Insel, wo Kirkeby lebt. Dass sie malerisch an den Punkt ankommen, an dem die Kunst um 1900 auch schon war, darauf stößt die Ausstellung ihre BesucherInnen durch ihre kluge Hängung: Direkt neben den Kirkeby-Leinwänden hat man delikate Moorlandschaften der Hausheiligen platziert.
Die erreichen durch ihre kühne Lösung vom Gegenstand, ihre kühle Farbgebung und ihren kompromisslosen Bruch mit den Kompositionsregeln mehr Präsenz als jedes Bild des Dänen. Es ist ein böser Blick, den die Ausstellung so auf dessen Werk wirft. Nicht im Vergleich, sondern in der unmittelbaren Konfrontation offenbart sich die kognitiv schwer zu fassende Qualität von Kunst: zum Vorteil von Paula. Sehr zum Leidwesen für Kirkeby. Aber sehr erhellend. Allein diese exquisite Erfahrung lohnt den Besuch der Ausstellung sehr.
„Per Kirkeby – Werke aus dem Louisiana Museum of Modern Art“: bis 5. Juni, Paula Modersohn-Becker Museum
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