kritik an israel ist nicht gleichbedeutend mit antisemitismus : Streubomben und Demokratie
Verletzt und bitter reagierte Ignatz Bubis, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, vor zehn Jahren auf die Bemerkung, „sein“ Präsident habe eine wunderbare Rede vor dem Bundestag gehalten. Gemeint war das israelische Staatsoberhaupt. Bubis empfand als Ausgrenzung, was als Kompliment gemeint war. Zu Recht. Jüdische Deutsche sind ebenso deutsch wie christliche, islamische, atheistische Deutsche. Sie gehören nicht „eigentlich“ woanders hin, und ihr Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. Niemand sonst.
Es gibt viele Gründe dafür, dass diese banale Einsicht noch immer nicht Allgemeingut ist. Antisemitismus ist gewiss einer davon – aber eben nur einer. Israel selbst hat sich lange schwer damit getan, zu akzeptieren, dass es nach dem Holocaust weiterhin Deutsche jüdischen Glaubens gibt. Und leider sorgt auch der Zentralrat gelegentlich dafür, dass er als Sprachrohr der Regierung eines anderen Landes erscheint.
Der Zentralrat hätte die Forderung von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach einer UN-Untersuchung des mutmaßlichen israelischen Einsatzes von Streubomben im Libanon verurteilen können. Oder begrüßen. Oder ganz dazu schweigen. Nur eines geht nicht: Eine solche Forderung damit zurückzuweisen, dass sie mit dem abscheulichen Verdacht des Antisemitismus belegt wird. Das ist nicht fair – auch den jüdischen Deutschen gegenüber nicht.
Einige von denen verurteilen nämlich ebenfalls jeden Einsatz von Streubomben. Andere halten ihn unter Umständen für notwendig. Darin unterscheiden sie sich nicht von Deutschen anderer Glaubensrichtungen. Den Meinungsstreit gibt es übrigens nicht nur hierzulande, sondern auch in Israel. Was kaum erstaunlich ist. Denn so wenig Kritik an einer US- Regierung ein Ausdruck von Antiamerikanismus ist, so wenig ist Kritik an einer israelischen Regierung ein Ausdruck von Antisemitismus. Für beides gibt es ein anderes Wort. Es heißt Demokratie.
Es wäre schön gewesen, die Kanzlerin hätte dem Zentralrat gegenüber darauf hingewiesen, statt betonen zu lassen, die Ministerin habe nur eine persönliche Meinung geäußert. BETTINA GAUS