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krise in der türkeiKleine Irritation, große Katastrophe

Ein großer Teil der politischen Klasse der Türkei ist unfähig und korrupt. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte – der Ablauf der aktuellen Finanzkrise hätte ihn erbracht. Um mieser eigener – manche sagen auch: ganz direkter persönlicher – Vorteile willen, hat die Regierung in Ankara einen Streit mit Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer vom Zaun gebrochen. Dieser Streit brachte dann die Finanzmärkte ins Trudeln – was wiederum zur Freigabe der Wechselkurse und zur Abwertung der Lira führte.

Kommentarvon JÜRGEN GOTTSCHLICH

Nun haben Minister und Parteiführer Angst, der Korruption überführt zu werden. Sie reagieren daher empört auf Vorhaltungen, spielen die Beleidigten und schüren durch Aussagen wie: „Es herrscht Krieg mit dem Präsidentenpalast“ eine Atmosphäre, in der Investoren lieber Dollar kaufen, als in türkische Lira zu vertrauen. Die Entwicklung bestätigt wieder einmal: In Zeiten großer ökonomischer Unsicherheit werden auch aus kleinen Irritationen ganz schnell Katastrophen.

Ministerpräsident Bülent Ecevit und seine Crew haben es in den letzten Tagen geschafft, das türkische Volksvermögen zu vernichten. Gerade zeigten sich erste Erfolge bei der Inflationsbekämpfung nach einem 14-monatigen harten Sparkurs; nun ist dies Makulatur. Fassungslos mussten IWF, Gewerkschaften und selbst Unternehmerverbände mit ansehen, wie das mühsam aufgebaute und mit hohen Kosten für die Bevölkerung verbundene Reformprogramm ohne Not wieder zerstört wurde. Dabei wollten die türkischen Parteien eigentlich nur ihre Sitze in den Aufsichtsräten der staatseigenen Banken verteidigen – deren Politik der Kreditvergabe ein Eckpfeiler der türkischen Form des Klientelismus ist.

Stattdessen hat sich nun eine Krise entwickelt, deren Eigendynamik keiner mehr kontrollieren kann. Dabei zeigt sich schmerzhaft, dass eine ökonomische Reform ohne eine gleichzeitige Reform des politischen Systems in der Türkei nicht zu haben ist. Für eine solche Reform gibt es zwei Möglichkeiten: zum einen den autoritären, durch das Militär repräsentierten Weg, der aus Verzweiflung jetzt manchmal auch von Leuten vertreten wird, die mit der Armee sonst nichts am Hut haben. Oder aber der mühsame Weg einer demokratischen Erneuerung von unten. Eine Zivilgesellschaft, die eine solche Entwicklung absichern könnte, besteht in der Türkei durchaus. Was bisher fehlt, sind Identifikationsfiguren – und ernst zu nehmende politische Organisationen.

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