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Archiv-Artikel

kopftuchverbot Zwei Positionen. Ein Irrtum

Braucht dieses Land ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst? Diese Frage hat das Verfassungsgericht allen Landesregierungen aufgegeben. Der Senat weiß es nicht. Denn die rot-rote Koalition kann sich nicht einigen. Nun haben sich SPD und PDS um ein halbes Jahr vertagt. Die Begründung, man wolle der gesellschaftlichen Debatte Zeit geben, ist eine durchschaubare Ausrede: Die Debatte findet seit Monaten statt.

Kommentar von ROBIN ALEXANDER

Die SPD argumentiert mit der weltanschaulichen Neutralität des Staates und der Gefahr von Beamten, die offen andere Loyalitäten als ihrem Dienstherrn gegenüber zeigen. Ehrhart Körting vermutet zudem, das Kopftuch der Lehrerin gefährde die Emanzipation der Schülerin.

Die PDS hingegen beruft sich auf ihre schlechten Erfahrungen mit der Erziehungsdiktatur DDR. Bürger – auch Kopftuchträgerinnen – kann man nicht zur Emanzipation zwingen. Auch wenn sie Lehrerinnen sind. Die Nachfolgepartei der SED als Bürgerrechtspartei: Eine Vorstellung, bei der man immer noch schmunzeln muss, die aber in dieser Frage den Praxistest besteht.

Beide Positionen ergeben in sich Sinn. Beide Positionen schließen die jeweils andere aus. Und beide Positionen beantworten die Frage des Bundesverfassungsgerichts nicht wirklich. Denn die lautet: Braucht dieses Land ein Kopftuchverbot? Betonung auf: dieses Land. Die Antwort kann – nein, sie soll sogar – in Mecklenburg anders ausfallen als in Bayern. Und sie muss anders ausfallen in Berlin, wo viele verschiedene Migrantengruppen leben und keine Konfession das öffentliche Leben prägt. Der Streit von SPD und PDS sollte besser um die konkrete Situation in Berlin gehen: Weltanschauungen kann man sich anschließend immer noch an den Kopf werfen.