kommunalwahlkampf : Verzerrtes Bild
Der Wahlkampf ist in die heiße Phase getreten. Die Parteien und Listen, die um die Sitze im Kölner Stadtrat konkurrieren, bieten jetzt all ihre Kräfte auf. Die CDU holt ihre Bundesvorsitzende Angela Merkel, die SPD ihren NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück, für die Grünen hat NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn jüngst Äpfel an Passanten verteilt, die PDS bekommt Unterstützung von Bodo Ramelow aus Thüringen, die FDP von ihrem Bundesparteivorsitzenden Guido Westerwelle.
Kommentar von Sebastian Sedlmayr
Das Aufgebot an Bundesprominenz soll wenigstens noch ein paar Unentschlossene ins Stimmlokal locken. Schließlich ist die herrschende Provinz- und Possenpolitik nicht unbedingt dazu angetan, bei den Wählern Begeisterung auszulösen. Die Überlagerung kommunalpolitischer Themen durch die Bundes- und Landespolitik, die damit einher geht, ist allerdings bedauerlich. Schließlich wählen wir am 26. September keine Bundes- oder Landesvertreter mit entsprechenden Kompetenzen, sondern ein Kölner Stadtparlament, und zwar für fünf Jahre. Da möchte man doch wissen, was sich auf kommunaler Ebene ändern soll, nach welchen Maßnahmen zur Konsolidierung des Stadthaushalts, zur Korruptionsbekämpfung, vielleicht gar zur verstärkten Kontrolle der Ratstätigkeit durch Bürgerbeteiligung den Kandidaten der Sinn steht.
Der Entfremdungsprozess zwischen Kommunalpolitik und Klientel scheint durch die Auftritte selbst der schillerndsten Prominenz nicht umkehrbar. So zeichnet sich ab, dass viele lieber gar nicht wählen, um später nicht von gebrochenen Versprechen enttäuscht zu werden. Im Ergebnis wird diese Mischung aus Frust und Unlust zum Erstarken neuer und kleiner Bündnisse führen. Dazu trägt selbstverständlich auch das geänderte Wahlrecht bei, das den Kleinen größere Chancen einräumt. Für einen Sitz im Rat reichen seit 1999 bereits 1,2 Prozent der Stimmen. Einige Wahlbündnisse haben sich nicht zuletzt wegen der gestiegenen Erfolgsaussichten überhaupt erst gegründet.
Bei den Auftraggebern der jüngsten Umfragen zur Wahl sind diese sich abzeichnenden Veränderungen offenbar noch nicht angekommen. Der Kölner Stadt-Anzeiger legte bei der Präsentation seiner Wahlumfrage den Stimmenanteil der „anderen“ jedenfalls nicht offen, obwohl der seit der letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren von 2,4 auf satte 11 Prozent gestiegen ist. Würde eine Partei alle 11 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, wäre sie nach dem Stand der Umfrage immerhin die viertstärkste Kraft im Rat nach CDU, SPD und Grünen. Außerdem wüsste man doch gerne, ob der Löwenanteil dieser 11 Prozent etwa dem Kölner Bürger Bündnis oder einer der rechtsextremen Gruppierungen zufällt.
Hoffentlich holt die Zeitung das Versäumte nach und dröselt auf, wer hinter den 11 Prozent steckt. Denn weder die Auftritte von Bundespolitikern noch die Ausblendung nicht-etablierter Parteien helfen, ein klares Bild von der Situation in Köln zu zeichnen, ohne das Lösungen schwerlich zu finden sind.