kommentar : Ignoriert die Faschisten, wo ihr sie trefft
Die Rechten im Parlament, die PDS stark, die Mitte dünnt aus. Die westdeutsche Öffentlichkeit wird sich nun, besorgt oder aggressiv, über den ostdeutschen Patienten beugen und fragen: Was hat er denn schon wieder?
Nun mag man mit einem Seufzer feststellen, dass es im Osten noch immer kein stabiles Bürgertum gibt, das fähig ist, die Gesellschaft zu prägen. Nutzen wird das nichts. Und eine Reaktion liegt nahe – ist aber grundfalsch: nämlich PDS und NPD in einen Topf zu werfen und ganz doll vor dem Extremismus zu warnen.
Das NPD-Ergebnis zeigt drastisch, was schon in den Neunzigern klar war: Im Osten gibt es ein autoritätsfixiertes rechtes Protestpotenzial. Damals wurde es von der PDS gebunden. Die Integration dieser Klientel in eine de facto linkssozialdemokatische Partei war ein zivilisatorischer Akt. Obwohl die PDS, wegen der Anti-Hartz-Proteste, gut abgeschnitten hat, scheint ihr die Ansprache dieser rechten Klientel nicht mehr zu gelingen. Der Spagat zwischen Protest- und Regierungspartei hat seinen Preis.
Und nun? Was tun mit den Rechtsextremen? Klug wäre es, ihnen nicht zu viel Publicity zu verschaffen. Die Drohung, dass Arbeitsplätze verschwinden, wenn die NPD gewinnt, hat in Sachsen nicht geholfen. Solche Gesten adeln Rechte mit Aufmerksamkeit und spiegeln sie in ihrer Lieblingsrolle wider: als Rebellen. Also: Kein Alarmismus. Ignoriert die Faschisten, wo ihr sie trefft. Das mag auch ratlos klingen – ist aber besser, als den Untergang der Demokatie zu beschwören. Diese Aufregung ist der Stoff, von dem die NPD lebt.
In gewisser Hinsicht noch schlimmer als der NPD-Erfolg ist die Tatsache, dass es die DVU in Potsdam wieder geschafft hat. Denn dies setzt ein bislang gültiges Gesetz außer Kraft: dass Rechte gewählt, aber nicht wiedergewählt werden. Mit der DVU gelang das einer virtuellen Partei, die im Grunde nur als Plakat existiert. Dies offenbart ein schockierendes Ausmaß an Desinteresse und Lernunfähigkeit.
Viel wird von der PDS abhängen, die ein empfindliches Sensorium für Ost-Befindlichkeiten hat. Wenn überhaupt einer Partei kann es wohl ihr gelingen, den rechtsextremen Spuk zu vertreiben. STEFAN REINECKE