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Archiv-Artikel

kommentar Ohne Arafat eröffnen sich neue Chancen für die Palästinenser und Israel

Das Ende von PLO-Chef Jassir Arafat birgt, so schmerzlich es für weite Teile seines Volkes sein mag, neue Möglichkeiten – nicht nur für den Friedensprozess im Nahen Osten, sondern auch für eine palästinensische Demokratie. Arafat stirbt nicht als „Märtyrer“, wie er so oft sein eigenes Ende prophezeite, sondern im Krankenbett, umgeben von Ärzten und Vertrauten. Ein Segen, dass er nicht Opfer einer israelischen Exekution wurde.

Mit Arafat an der Spitze der Palästinenser habe Israel keinen Partner für Verhandlungen, beharrte stets die Regierung Ariel Scharons. Seit Wochen wird die politische Debatte in Jerusalem vom Abzugsplan aus dem Gaza-Streifen und dem nördlichen Westjordanland beherrscht.

Der grundsätzlich zu begrüßende Plan hakt aber vor allem an einem Punkt: seiner Einseitigkeit. Israel plant den Rückzug ohne Gegenleistung und riskiert damit eine Missinterpretation. Die militante Palästinenserbewegung wird alles daran setzen, die Räumung der jüdischen Siedlungen als Kapitulation Israels angesichts des andauernden Raketen- und Granatenbeschusses erscheinen zu lassen. Sie wollen ihren Kampfgenossen im Westjordanland signalisieren, dass die israelische Armee durchaus besiegbar ist.

Zwar hinterlässt Arafat ein Machtvakuum – für Israel gibt es vorerst noch nicht einmal den „Nicht-Partner“. Sobald sich jedoch Ersatz gefunden hat, muss sich Israel auf die veränderte Realität einstellen. Dann gilt es, Signale zu setzen – etwa durch mehr Bewegungsfreiheit für die Palästinenser, Gefangenenamnestien oder die Evakuierung der so genannten Siedler-Vorposten, entsprechend dem internationalen Friedensplan Roadmap, dem sich Israel vor über einem Jahr verpflichtete.

Auch innenpolitisch eröffnet Arafats Tod eine Chance. Bisher hatte er als Alleinherrscher überall seine Finger drin: Er kontrollierte die Finanzen, ignorierte Parlamentsentscheidungen und versorgte Familienangehörige mit Posten. Nun gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass die bereits bestehenden demokratischen Institutionen der Palästinenser endlich ihre Arbeit machen.

SUSANNE KNAUL

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