kommentar : Die Provinz macht blau
Alkoholvergiftungen bei Jugendlichen nehmen zu. Jetzt aber bitte nicht wieder diesen albernen Alarmismus!
Der Norden Deutschlands: unendliche Weiten, sanft geschwungene Felder, Alleen bis zum Horizont – und Holzkreuze am Straßenrand. „Disco-Tote“ sind eine unschöne Spezialität von Gegenden, in denen sonst nicht viel los ist – wie Schleswig-Holstein.
Das nördlichste Bundesland liegt nicht nur auf der Landkarte ganz weit oben, sondern auch bei den Alkoholvergiftungen unter Jugendlichen. Wer es bis ins Krankenhaus schafft, hat Glück gehabt. Nach Informationen der Kieler Techniker Krankenkasse stieg die Zahl alkoholbedingter stationärer Behandlungen bei den 15- bis 19-Jährigen von 2000 bis 2004 um 74 Prozent. 575 jugendliche Patienten wurden 2004 behandelt, hinzu kommen 128 Klinikeinweisungen von unter 15 Jahre alten Trinkern.
Diese Zahlen zeigen, dass sich immer mehr Jugendliche die Provinz schönsaufen oder es zumindest versuchen, denn Malente bleibt Malente und wird nie wie Havanna – auch nicht nach acht Cuba Libre.
Und nur darum geht es: Sucht ist Flucht. Vor fremden Erwartungen. Eigenen Schwächen und Ängsten. Forderungen nach verschärften Verkaufskontrollen oder einer höheren Altersfreigabe sind alarmistisch und greifen zu kurz. Vor allem dienen sie der Beruhigung des Gewissens von Eltern, die selbst nicht so genau wissen, was ihre Kinder am Wochenende so treiben, und vor allem, womit. DENK