kommentar: Hartz-Papier: Besser als nichts
Arbeitsmarktpolitik ist Gefühlssache und muss deshalb vor allem eines transportieren: Hoffnung. Und wenn es nur ein Rest Hoffnung ist. Das wusste auch Peter Hartz. Das Hartz-Papier repräsentiert das, was Arbeitsmarktpolitk heute eben ist: Besser als nichts. Es ist eine Frage des Standpunkts, ob das nun ausreicht oder nicht.
Kernpunkt des Papiers ist eine Umdefinition, ein „Re-Framing“, wie man in der Psychobranche sagt. Hartz schlägt vor, Langzeitarbeitslose bei neu zu gründenden Personal-Service-Agenturen (PSA) anzustellen. Sie bekommen dann ein Gehalt, das im Zweifelsfall nur so hoch sein darf wie das Arbeitslosengeld, sind offiziell aber Zeitarbeitnehmer. Sie sind das auch dann, wenn sie nirgendwohin entliehen werden, sondern nur in einer der unzähligen Bildungsmaßnahmen sitzen. Die bei den Agenturen angestellten Jobsuchenden erscheinen in der Statistik nicht als Arbeitslose. Genauso wenig wie die 55-Jährigen und Älteren, die laut Hartz bald freiwillig aus der Arbeitsvermittlung ausscheiden dürfen.
Doch nur über Statistiktricks zu lästern wäre zu einfach. Die Bewertung von Arbeitsmarktpolitik ist immer eine Frage der geltenden Maßstäbe. Und heute gilt nun mal, was viele Langzeitarbeitslose empfinden: Fast jede Bewegung ist besser als nichts. Und da eröffnet es dem einen oder anderen Arbeitslosen tatsächlich eine neue Chance, wenn er über eine Personal-Service-Agentur eine Beschäftigung findet, ob nun im Veranstaltungsdienst einer Gemeinde oder bei einem privaten Paketdienst.
Am Ende bewirken die Hartz-Vorschläge also nur eines: Eine Verbilligung staatlicher Arbeitsmarktpolitik, die sich schrittweise verabschiedet von den teuren ABM-Maßnahmen und stattdessen auf die günstigere Zeitarbeitsförderung umsattelt. Das Hartz-Papier spiegelt den aktuellen politischen Trend, der bestimmt ist von den leeren Haushaltskassen, hoher Joblosigkeit und einer schwachen Wirtschaft.
Das Hartz-Papier, in dem größere soziale Kürzungen nicht vorkommen, bedeutet aber auch eine weitere Entscheidung: Einem Sozialabbau, der alle Joblosen in eine erbarmungslose Konkurrenz um Billigjobs triebe, wurde nicht stattgegeben. Die Angst davor ist zu groß. Wer das akzeptiert, muss aber auch die hohen Arbeitslosenzahlen akzeptieren, an denen statistische Tricks nicht viel ändern können. Diese Zahlen sind auch eine deutsche Kränkung. Diese ist nicht zu leugnen, auch nicht durch die feierliche Übergabe des Hartz-Berichts, gestern in der sakralen Umgebung des Französischen Doms.
BARBARA DRIBBUSCH
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