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Archiv-Artikel

kommentar zur präsidentenwahl Statt einer intellektuellen Führung nur ein Verschleiß notwendiger Anregungen

Es ist ein schweres Erbe, das der neue Präsident antritt. Nach den hochtrabenden Reden seines Vorgängers über notwendige Veränderungen auch im Verhalten jedes Einzelnen muss der Wahlsieger beweisen, dass er mehr kann, als die immergleichen Sonntagsreden zu wiederholen. Das Land, dem er jetzt vorstehen wird, ist von Selbstzweifeln geprägt. Die anhaltende Wirtschaftskrise erscheint vielen Bürgern als hoffnungslos. Steuerhinterziehung, Korruption und undurchsichtige Entscheidungsstrukturen machen Zukunftsinvestitionen schwer und verhindern grundlegende politische Veränderungen.

Lange Zeit hielt sich dieses Land für ein Modell in der Organisation eines straff organisierten Schulwesens, aber heute gilt es unter seinen Nachbarn als Schlusslicht, und obwohl dies durchaus als Barriere für die Entfaltung innovativer Kräfte erkannt und immer wieder von Präsidenten in Reden gegeißelt wird, fehlt es an Ideen zur Überwindung der Bildungskrise. Vom internationalen Einflussverlust eines Landes, das im Herzen einer zusammenwachsenden Weltregion liegt, deren dynamischste Entwicklungen jedoch an ihm spurlos vorbeizuziehen drohen, ganz zu schweigen.

Das neue Staatsoberhaupt verdankt seine Karriere dem Internationalen Währungsfonds. Man sollte aber nicht meinen, dass seine Wahl nun bedeutet, die Bürger hätten die ideologischen Muster des IWF verinnerlicht. Dafür fehlt es ihm an Legitimität. Dass er überhaupt als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde, verdankt er allein undurchsichtigen Kungeleien seiner Partei. Breite Beliebtheit in der Öffentlichkeit hat er nie selbst errungen und genossen.

Die Frage, wie demokratisch und fair denn eigentlich dieser Wahlgang überhaupt werden würde und ob das Ergebnis angesichts der merkwürdigen Auswahl der zur Verfügung stehenden Kandidaten den Willen der Bürger widerspiegeln könnte, sorgte vor der Wahl in der Öffentlichkeit für Zündstoff und sollte jetzt nicht vergessen werden. Die Sorge ist berechtigt, dass dieser Präsident sich trotz seines schillernden Namens als Marionette erweist, ferngesteuert von der mächtigen Führung seiner Partei. Die darin wirklich maßgeblichen Personen halten sich von gesamtstaatlicher Verantwortung fern, wollen aber dennoch indirekte Macht ausüben.

Beachtliche Teile des Volkes dürften dem neuen Präsidenten daher skeptisch gegenüberstehen, wenn er gerade mit seinem internationalen Hintergrund fordert, sich den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen, sich nicht mehr hinter nationalen Grenzen zu verstecken und Wettbewerb anzunehmen. Das ist ziemlich schade. So werden an sich gute und notwendige Anregungen in der Taktik parteipolitischer Erwägungen verschlissen. DOMINIC JOHNSON