kommentar: Visa-Affäre in NRW : Schmierentheater im Wahlkampf
Nun hat also die nordrhein-westfälische CDU, bisher noch nicht als Anwältin unterdrückter, ausgebeuteter Frauen in Erscheinung getreten, die Prostitution als Wahlkampfthema entdeckt.
Da der Landespartei ansonsten nicht viele Sachthemen einzufallen scheint, will sie jetzt die Visa-Affäre um Außenminister Joschka Fischer zum Thema im Landtagswahlkampf machen. Und nicht nur das. Jürgen Rüttgers weidet sich gern noch ein bisschen mehr am Thema. Der Grünen-Ministerin Bärbel Höhn wirft er vor, ihre Aussagen zur Situation osteuropäischer Prostituierter seien „moralisch unanständig“ und „an Zynismus nicht zu überbieten“. Die FDP spricht gar von der „wahren, frauenfeindlichen Gesinnung“, die nun bei den Grünen zum Vorschein komme.
Doch dabei merkt die Opposition scheinbar nicht einmal, wie zynisch und verwerflich ihr eigenes Verhalten ist. Denn CDU und FDP geht es keineswegs um das Schicksal osteuropäischer Frauen, die unter Androhung von Gewalt in Deutschland zur Prostitution gezwungen werden. Auch wenn beide Parteien jetzt so tun, als hätten sie sich schon immer um das Schicksal der Prostituierten gesorgt.
Und noch aus einem weiteren Grund ist die Wahlkampftaktik der Opposition unerträglich. Sie ignoriert, dass die Wähler in NRW das Recht haben auf eine sachliche Auseinandersetzung um politische Themen, die dieses Bundesland bewegen. Brisante landespolitische Fragen gäbe es genug. Doch die CDU versteckt sich lieber hinter einem zynischen Schmierentheater. ULLA JASPER