knastmord : Offene Fragen
Ein grauenvoller Einzelfall. Das beteuert Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller Piepenkötter, davon geht auch die Siegburger Justizvollzugsanstalt aus. Tatsächlich wurde noch nie so abgrundtief schrecklich in einem nordrhein-westfälischen Gefängnis gestorben wie am vergangenen Wochenende. Der Siegburger Fall ist trotzdem mehr als die entsetzliche Tat von sadistischen Jugendlichen. Er zeigt den Knast von seiner schlimmsten Seite: Hinter den versperrten Türen konnte ein Mensch stundenlang lautstark gedemütigt und gefoltert werden. Dass gegen die diensthabenden Beamten jetzt ein Disziplinarverfahren läuft, ist natürlich richtig – für den Einzelfall Siegburg. Damit er wirklich ein Einzelfall bleibt, muss sich NRWs Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter aber eine entscheidende Frage stellen, der sie bislang hartnäckig ausweicht: Gibt es genug Personal in NRWs Gefängnissen?
KOMMENTAR VON MIRIAM BUNJES
Ihre Antwort darauf kam schnell. Zu schnell. Mit Personalnot habe das nichts zu tun, sagte sie gleich nach dem Bekanntwerden des Mordes – ohne die Dienstpläne zu kennen. Die unbequeme Frage soll schnellstmöglich abmoderiert werden. Denn sie stört schon länger: Wir sind zu wenige, klagt der Bund der Strafvollzugsbediensteten schon seit mehreren Jahren. Außerdem seien die Knäste zu sanierungsbedürftig, Gefangene würden zum Teil aus Platzmangel in Gemeinschaftszellen verlegt.
Alles Missstände, die nach Landesgeld schreien. Auch die Sozialverbände mussten Angebote zum Beispiel für drogenabhängige Häftlinge eindampfen und abschaffen – sie werden nicht mehr gefördert. Dabei sind neun von zehn Häftlingen psychisch krank und bräuchten zusätzliche Therapieangebote, zeigt eine aktuelle Studie der Universitäten Aachen und Bielefeld. Die Frage nach mehr Gefängnisbetreuung ist offensichtlich berechtigt und verlangt eine gründlichere Antwort.