kleine schillerkunde (10) : Multimorbider Dichter
Spekulationen über das Ende: Die Ursache von Schillers Tod war eine akute Lungenentzündung der linken Seite
Der Arzt, der dem todkranken Schiller zu Hilfe kam, hieß Huschke, Dr. Huschke, er war Schillers Leibmedikus. In dessen Haus an der Esplanade traf er Karoline von Wolzogen, die Schwägerin des Dichters, die später notierte: „Immer besser, immer heitrer“ habe Schiller auf ihre Frage geantwortet, wie er sich fühle. Doch bald darauf fing sein Atem an zu stocken: „Es fuhr wie ein elektrischer Schlag über seine Züge. Dann sank sein Haupt zurück, und die vollkommenste Ruhe verklärte sein Antlitz. Seine Züge waren die eines sanft Schlafenden.“ Das war an 9. Mai 1805, am frühen Abend um 17.45 Uhr.
Über die Todesursache ist später immer wieder spekuliert worden, Schiller war multifaktoriell erkrankt. Hatte sie mit seinen Rippenfellentzündungen zu tun, mit der Lunge, mit der damals weit verbreiteten Schwindsucht, der heutigen Tuberkulose – und wenn ja, in welcher Form? Erlitt er einen Nervenschlag?
Nun gibt es den Befund zur Sektion Schillers, die Dr. Huschke mit einem Kollegen namens Herder am Tag nach Schillers Tod vornahm. „Die Milz ist um 2/3 größer als sonst“, heißt es darin, „auf der rechten Seite sind alle Därme mit dem Peritonäum verwachsen“, also mit dem Bauchfell. Doch das muss noch nicht zum Tod führen. Mehr Aufschluss gibt der Lungenbefund: „Sie war faul und brandig, breiartig und ganz desorganisiert.“
Die Darstellung Huschkes und Herders belegt eine schwere Schädigung der Lunge. Dennoch meint der Darmstädter Medizinhistoriker Hans-Helmut Jansen, dass „mit diesem Sektionsprotokoll allein wenig anzufangen ist“. Bekannt ist, dass Schiller schon während der Mannheimer Zeit anno 1783 das Wechselfieber quälte; so nannte man seinerzeit die Malaria. Später hatte er oft heftigen Schnupfen, der ihn nach eigenem Zeugnis manchmal „tyrannisierte“.
Vom Januar 1791 an wird es ernst. Während eines Konzerts in Erfurt bekommt er einen Fieberschauer, der bald wiederkehrt. Einmal speit er sogar Blut. Schiller sieht die Bedrohung: „Es macht meine Krankheit gefährlicher, dass sie recidiv war. Die üble Einmischung des Unterleibs machte das Fieber compliciert.“ Zur Stärkung schickt ihm der Weimarer Herzog eine ungewöhnliche Arznei: sechs Flaschen Madeira. Im Mai desselben Jahres leidet Schiller an heftigem Asthma und Fieberfrost. „Ich habe dem Tod mehr als einmal ins Gesicht gesehen“, protokolliert er, der glaubt, „bei jedem Athemzuge zersprenge ein Gefäß in der Lunge“.
Eine Kur in Karlsbad bringt bald darauf deutliche Besserung. Schiller trinkt reichlich Mineralbrunnen, achtzehn Becher pro Tag, was einem Patienten mit Schwindsucht unmöglich wäre. Selbstdiagnose: „Mit meiner Gesundheit bin ich im ganzen wohl zufrieden. Der Geist ist heiter.“
Doch dann das Jahr 1804, er ist noch keine 45 Jahre alt. Nach einer Spazierfahrt in der Nähe Weimars ereilt ihn eine schwere Kolik mit heftigen Leibschmerzen. Zwei Ärzte glauben, er sei nicht mehr zu retten. Offenkundig leidet er an einem Darmverschluss – für Jansen ein „Vorbote“ seines Todes. Charlotte, seine Frau, schreibt dazu später: „Seitdem hat er sich nicht wieder recht erholt.“ Er selbst vermerkt „Unbequemlichkeiten aus den Gedärmen und Zwergfell“, „Katarrh“, „verwünschte Verstopfungen“.
Die Leiden nehmen zu. Am 1. Mai 1805 hat er heftigen Schüttelfrost, hohes Fieber und Brustschmerzen. Er muss ins Bett. „Der Auswurf war sehr missfarbig, der Puls wurde noch kleiner und krampfhaft“, heißt es in Huschkes Bericht. Ein paar Tage später stirbt Schiller; die Arbeit am „Demetrius“ bleibt Fragment.
Aber starb Schiller nun an einer Darm- oder Lungentuberkulose? Hans-Helmut Jansen glaubt das nicht, für ihn passt das nicht zum Krankheitsverlauf dieses willensstarken, keinesfalls schwindsüchtigen Mannes; er hat zudem keines seiner Kinder infiziert. Jansens Fazit lautet vielmehr: „Schillers Krankheit war neben einer Bauchfellentzündung sowie Leber- und Darmverwachsungen eine schwere rechtsseitige Lungenentzündung mit Vereiterung des Rippenfells. Todesursache war eine akute Lungenentzündung der linken Seite.“ Dazu kam ein chronisch-entzündlicher Milztumor, der damals nicht zu behandeln war.
ECKART KLAUS ROLOFF