klagen über klagen: System Politik ist überfordert
Juristen der Welt, schaut auf diese Stadt! Hier kann man am Objekt lernen, ein Präzedenzfall jagt den nächsten, und die Diplomarbeiten liegen auf der Straße. Nehmen wir nur die letzten beiden Werktage: Am Freitag definiert der Finanzsenator den soeben von ihm vorgelegten Haushalt als „objektiv rechtswidrig“. Der Regierende Bürgermeister erklärt – obwohl er keine Richtlinienkompetenz hat – „für den Senat“, der Etat sei sehr wohl verfassungskonform. Am Montag will die Opposition das Landesverfassungsgericht einschalten, die PDS strebt zum Bundesverfassungsgericht, und die SPD hält (noch) mit ihren Klageabsichten hinterm Berg.
Kommentar von ROBIN ALEXANDER
Das alles scheint nur auf den ersten Blick verworren und unübersichtlich. Eigentlich liegen die Dinge ganz klar: Selbstverständlich ist der beschlossene Haushalt verfassungswidrig. Und natürlich wird der rot-rote Senat nach den Bundestagswahlen auf Feststellung des Haushaltsnotstandes klagen. In der Berliner Landespolitik weiß das jeder und sagt es auch – hinter vorgehaltener Hand.
Als Skandal werden in dieser Stadt nicht die Tatsachen empfunden, sondern ihr öffentliches Aussprechen. Sei es der als eigen- bis wahnsinnig eingeschätzte Finanzsenator oder der unerfahrene PDS-Chef: Beider Fehler war doch nur, offen zu sagen, was Sache ist. In Deutschland wird die Lösung schwieriger Probleme seit Jahren an die Justiz delegiert, weil die Politik ihre ureigensten Aufgaben nicht mehr bewältigt. Die Berliner Spezialität besteht darin, dass Politiker hier nicht nur die Lösung von Problemen verweigern, sondern sogar deren Benennung.
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