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Archiv-Artikel

kirchentagslosung Verkommene Theologie

Ein Motto hat er also, der Kirchentag 2009 in Bremen. Es lautet „Mensch, wo bist du“, aber das ist im Grunde schnurz. Denn sobald es verkündet ist, tritt der protestantische Deutungsfuror auf den Plan und zuckelt und biegt das Bibelwort zurecht, bis es passt wozu auch immer.

Kommentar von BENNO SCHIRRMEISTER

Beweise? Aber gerne doch. Das beste Beispiel liefert der Schriftführer der Bremer Evangelischen Kirche, Renke Brahms. Ihm zufolge bedeute der Spruch „Gott sucht uns“. Und das nennt er „befreiend und entlastend“.

Das ist eine merkwürdige Vorstellung von Entlastung: Das Zitat nämlich stammt aus der Genesis. Da sucht Gott Adam tatsächlich – aber in der Rolle eines himmlischen Strafverfolgers: Der Mensch hat vom verbotenen Baum gekostet. Der Schöpfer wird ihn und seine Sippe dafür strafen. Fakt ist: Diese Form der Entlastungs-Lehre hat bei zahllosen Menschen psychische Verwerfungen provoziert.

Wenn die Bibel den Theologen heilig wäre, müssten sie ein wenig mehr philologische Sorgfalt an den Tag legen. Wenn sie stattdessen Halbsätze aus dem Kontext reißen und in ein freies Spiel der Assoziationen überführen, ist das nicht nur respektlos. Sondern entlarvend: Ernsthaft zu sagen hat die Überlieferung durch sie offenbar nichts mehr. Die Quelle ist versiegt.