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Archiv-Artikel

kein kommentar Die heilige Programmfamilie

ARD-Erstes und ZDF schwörensich fürs neue Jahr erbitterteKonkurrenz. Tatsächlich geht esum etwas ganz anderes

„Kerner“ gegen „Christiansen“, „Gottschalks“ neue Late Night gegen „Harald Schmidt“ im Ersten, die „tagesthemen“ gegen den ZDF-Programmablauf an sich – ja ist da bei den Öffentlich-Rechtlichen etwa jemand wach geworden? Da ging bis vor wenigen Monaten die friedvolle Koexistenz so weit, dass Hoch- und andere Zeiten gekrönter Häupter parallel über Stunden auf beiden Programmen Seit’ an Seit’ liefen. Und jetzt begreift man sich endlich als etwas, was man seit mindestens 15 Jahren längst ist: als Konkurrenz nämlich.

Natürlich hat dieser senderpolitische Wettbewerb auch viel mit dem anstehenden medialen Winterloch zu tun. Dennoch zeugt er von einer signifikanten Veränderung: Bislang konnte sich das ZDF darauf verlassen, dass sich das Erste der ARD wegen des Zuständigkeitsgerangels der Einzelanstalten gerne mal selbst im Wege stand. Dank der immer stärker werdenden Zentrifugalwirkung der ARD-Programmzentralinstanz Günter Struve gilt das zumindest für das alles entscheidende Abendprogramm aber nicht mehr. Der ARD-Programmdirektor formatiert das Erste mit dem Argument, dass Gebührenfinanzierung zur eigenen Rechtfertigung auch Quote brauche. ZDF-Widerpart Thomas Bellut kontert mit „Kerner“ und verfolgt so exakt dieselbe Strategie.

Das Hauptproblem liegt aber woanders: Die öffentlich-rechtliche Familie kommt inklusive ARD-Dritter und Spartenkanäle auf 14 analoge Programme. Wozu, kann man da doch mal fragen, braucht es aber dann zwei Flagschiffe wie das Erste und das ZDF, die mit recht ähnlichem Programm recht ähnliche Ziele und Zielgruppen verfolgen?

Bei der britischen BBC besteht zwischen BBC 1 fürs breitere Publikum und der sich als „intelligent, ambitioniert und innovativ“ definierenden BBC 2 eine klare Aufgabenteilung. Jetzt fordert das ZDF selbst ein eigenes „zweites Programm“, um seinem Schicksal als „Einkanalanstalt“ zu entkommen. Könnte man aber – die BBC vor Augen – nicht auch zu dem Schluss kommen, das ZDF wäre längst dieses Zweite? Man müsste nicht mal den Namen ändern. STEFFEN GRIMBERG