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Archiv-Artikel

kein kommentar Die Werbe-Säge

Noch acht Monate bis zur Fußball-WM. Doch schon jetzt verkaufen unsere Werbeprofis jedes Produkt nur noch mit Kickern und Fußbällen

Fußball ist bekanntlich ein Volkssport. Und Fernsehen ein Massenmedium. Passt gut zusammen. Neu ist ebenso wenig, dass Fußi und Tivi gerne eine für beide Seiten gewinnträchtige Verbindung eingehen. Keine Saison ohne krachlederne Übertragungsrechtediskussion. Was sich aber gerade vor unseren Augen abspielt, sind die ersten, aber überdeutlichen Anzeichen, dass nun die totale Machtübernahme des Fußballs bevorsteht. Jedenfalls in der Werbung.

Es scheint fast kein Produkt mehr zu geben, das nicht in Verbindung mit Fußball gebracht werden kann. Michael Ballack posiert für eine Fleischklops-im-Brötchen-Kette, Bastian Schweinsteiger demonstriert Fitness für eine kleine Wurst zum Mitnehmen. Mehmet Scholl und Uli Hoeneß werben tipp-kickend für ein Telekommunikationsunternehmen, dito Kaiserfranz, bloß für ein ganz anderes.

Aber nicht nur bekannte Gesichter verkörpern diesen Wahn in der Fernsehwerbung, auch ein großer kickender Gelbfrosch kommt zum Einsatz, irgendwas mit Strom steckt dahinter. Vorreiter dieses Trends war die Getränkeindustrie, die schon lange Fußball mit Bier (okay, nachvollziehbar) und seit einer Weile auch Fußball mit Milch (für die F-Jugend) zusammenführt. Schließlich, um jetzt mit der verschlüsselten Schleichwerbung aufzuhören, wirbt sogar ein Bundesland mit bekannten Fußballposen („der Klinsi“, „die Säge“) für, äh, hm, ja wofür eigentlich? Fürs Image? Oder insgeheim doch für das einzige WM-Stadion, das es abbekommen hat?

Wir wissen es nicht. Auch nicht, wie das alles weitergehen soll. Wie mag das Werbeprogramm kurz vor oder während der Weltmeisterschaft 2006 aussehen? Offenbar lässt sich so ziemlich alles auf Fußball bügeln. Können Ballack & Co. vielleicht auch für Putzmittel Reklame machen? Für den Treppenlift? Für Venenkapseln? Tampons? Na ja, warum nicht, schließlich hat es die Fußballnationalmannschaft der Frauen auch schon mal für Damenbinden getan. Möglich ist alles. Und dem „Wie du mir, so ich dir“ zwischen Fußball und Werbung scheinen keine Grenzen gesetzt: Fußballstadien werden zu Werbeträgern, Reklamefilmchen zu reinen Fußballclips.

Blöd ist nur, dass wir dann vielleicht nächstes Jahr – wenn es wirklich darauf ankommt – keinen Bock mehr auf Fußball haben. Und die WM im eigenen Land boykottieren. Das ist dann so ähnlich wie mit den Lebkuchen, die schon kurz nach Ende des Sommers in den Supermärkten feilgeboten werden: An Weihnachten schmecken sie nicht mehr. JUTTA HEESS