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Archiv-Artikel

karl bernhard dall feiert hochzeitstag Der ewigtreue Selbstverletzer

Von bes

Tritt also einer in der Music-Hall Worpswede auf, was ja an sich schon hart genug ist, aber dann sagt er es auch noch: Erst das gewohnte Sprüchlein, dass er immer wieder gerne hierher komme. Und schiebt die vernichtende Begründung hinterher: „Weil das hier ja ein Auffanglager für gescheiterte Showgrößen ist“. Das tut weh, einfach nur weh.

Klar, so kann das nur einer sagen: Karl Bernhard Dall, der sein angebliches Scheitern seit 40 Jahren als abendfüllendes Programm präsentiert. Auch seine im Herbst erschienene Autobiografie hat er, an der Schwelle zur Selbstverstümmelung, „Auge zu und durch“ betitelt – was ein Kalauer nur ist, weil des Autors Augenlid hängt: Karl Dall ist der Meister der Autoaggression. Geboren wurde er als Sohn einer Lehrerin und eines Rektors 1941 in Emden, Ostfriesland, er wohnt in Hamburg-Harvestehude, ist Vater einer Stuntfrau und, was einigermaßen fassungslos stimmt, seit 1971 verheiratet. „Wir haben“ so Dall im Interview mit dem SWR „in dieser Buß- und Bettag-Woche geheiratet“: Woraus man schließen kann, dass er gerade seinen 35. Hochzeitstag begeht. Vielleicht sogar heute.

Das ist einigermaßen rätselhaft. Schließlich gehören dazu zwei. Und es ist schwer zu sagen: Belegt diese branchenunübliche Treue Dalls Anarchie? Oder ist sie Indiz dafür, dass die Rolle, die er ununterbrochen seit 1967 spielt, doch nur eine Rolle ist? Denn als Selbstzerstörer zu überleben, das mag angehen. Aber mit ihm? 35 Jahre lang?

Dass er eben nicht ein abgewrackter Herumtreiber ist; dass da irgendwo etwas so Grundsolides wie eine bürgerliche Familie im Hintergrund steht, das ist das Rätsel, ohne dass die Kunstfigur Karl Dall längst so abgetakelt wäre, wie sie auftritt. Ihr Urheber und Darsteller weiß das, scheint’s, ziemlich genau. Und pflegt’s: Besonders schneidend wird Dalls Witz, wenn er mit der Lust am vermeintlichen Bekenntnis spielt: „Ich schreibe unter Pseudonym ernste Sachen, die ich sonst nicht machen könnte“, so lautet eines: „Zum Beispiel als Rolf Hochhuth.“ Hier zeigt sich, dass Dall – viel, oft und zurecht gescholten – in einem Punkt vollkommen ist: Die Spaßfassade ist lückenlos. bes